Es ist gut für Euch, wenn ich gehe!

2017, 06, 04, Pfingsten, Predigt über J0h 16,5-15

Liebe Gemeinde!

Es ist gut für euch, wenn ich gehe. Wenn ich nämlich nicht gehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen. Jesus sagt das zu seinen Schülern und Schülerinnen. Er sagt das heute an Pfingsten, am Fest des Heiligen Geistes zu uns. Er will, dass Gottes Tröster zu uns kommt, damit wir nicht den Mut verlieren. Er will, dass wir nicht uns selbst überlassen sind, dass da einer ist, der in der Lage ist, uns zu korrigieren, der uns nicht in unserem Trott verkommen lässt, sondern der uns an die Hand nimmt, damit wir uns trauen, einen neuen Schritt zu gehen. Jesus will, dass der Heilige Geist zu uns kommt, dass er in unserem Leben Raum gewinnt, dass er Besitz von uns ergreift, nicht wir von ihm, er von uns.

Jesus kennt uns. Er kennt seine Schüler und Schülerinnen. Er kennt Dich und mich. Er ist sich sicher, dass es gut für uns ist, wenn er geht, aber er weiß genau, dass er bei uns damit keine offenen Türen einrennen wird.

Er sieht uns das an der Nasenspitze an, dass es da Fragen gibt, die uns auf der Zunge liegen, aber die wir uns nicht zu stellen trauen, vielleicht auch deshalb, weil wir Angst haben vor dem, was er uns antworten wird: Warum gehst Du? Warum bleibst Du nicht? Warum willst Du uns diesem fremden Tröster anvertrauen? Warum tust Du nicht selbst für uns das, womit Du ihn beauftragen willst? Dich kennen wir. Bei Dir wissen wir, womit wir dran sind. Deine Worte sind uns vertraut. Wir haben Sie schon so oft gehört. „Ich bin der gute Hirte“, hast Du zu uns gesagt. „Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Meine Schafe hören meine Stimme und sie folgen mir und ich kenne sie mit Namen.“ Das hören wir gerne, da fühlen wir uns sicher und geboren, wenn Du das zu uns sagst.

Wen dürstet, der komme zu mir und trinke, der stille bei mir seinen Lebensdurst“ haben wir erst letzte Woche von Dir gehört. Du hast gesagt: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ Und dann hast Du hinzugefügt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun!“

Ja, da mögen andere ruhig sagen, das ist aber heftig, was Jesus da behauptet. Aber wir haben das schon so viele Male erfahren, dass es einfach die Wahrheit ist: wann immer wir uns von Dir losreißen, wann immer wir es auf eigene Faust versuchen, mit uns und unserem Leben fertig zu werden, wenn wir uns abrackern und alle Hebel in Bewegen setzen, dann geht es schief, dann legen wir uns der Länge nach hin.

Und jetzt sagst Du uns, dass Du gehst, ohne uns, dass Du uns zurücklässt, dass wir Dir an diesen Ort, dass wir Dir zu Deinem Vater nicht folgen können. Und nun sollen wir plötzlich ohne Dich auf eigenen Füßen stehen, selbst Verantwortung übernehmen? Wie soll das gehen, wie soll das gut gehen.

Natürlich merkt Jesus, dass wir traurig sind. Wie könnten wir annehmen, dass ihn das kalt lässt? Aber er lässt sich nicht beirren. Er ist sich seiner Sache sicher. Ich sage euch die Wahrheit, ich lüge nicht. Es ist gut für euch, wenn ich gehe. Wenn ich nämlich nicht gehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch schicken.

Im Lied vor der Predigt haben wir den Heiligen Geist ausdrücklich zu uns eingeladen: O komm, Du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein. Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an, dass jeglicher Getreuer den Herrn erkennen kann. Haben Sie, hast Du, habe ich gewusst, was wir da singen, wen wir da in unsere Mitte bitten?

Der Heilige Geist weht, wo er will, sein Rauschen lässt sich nicht überhören, aber du weist nicht, woher er kommt und wohin er geht. Er lässt sich nicht berechnen. Er lässt sich keine Fesseln anlegen. Er rutscht Dir durch die Finger, mit denen Du versuchst, ihn festzuhalten. Aber, wo er an der Arbeit ist, da hinterlässt er Spuren, da zeigt er Wirkung, da lässt sich nicht ignorieren, dass er da ist. Wo der Heilige Geist ist, da wird es hell, da werden die Dinge klar, da finden wir den Mut, uns festzulegen, zu unserer Verantwortung zu stehen, da warten wir nicht mehr ab, dass die anderen den ersten Schritt tun.

Jesus sagt: Wenn aber jener Tröster kommen wird, dann wird er die Welt überführen, im Blick auf die Sünde, und die Gerechtigkeit und das Gericht.

Jesus sendet uns den Heiligen Geist ja wahrlich nicht deshalb, damit er uns von Jesus abspenstig macht, nicht dazu, damit er in Konkurrenz zu Jesus tritt. Ganz im Gegenteil, er sendet uns seinen Heiligen Geist, damit er sein heiliges Feuer in uns anzündet, damit er uns aus unseren Verengungen herausreißt, aus unserem Festungsdenken. Der Heilige Geist weitet unseren Blick, damit wir bloß nicht verkennen, dass Gott in Jesus wirklich seine Welt geliebt hat, nicht nur seine Gemeinde, nicht nur uns Fromme, sondern die Menschen in allen Völkern dieser Erde, besonders die in den armen Ländern, nicht nur uns reiche Europäer und Europäerinnen, die verfolgten Christen und Christinnen in allen Ländern dieser Welt, in Nordkorea, in Ägypten, im Sudan, im Iran, in Syrien wo auch immer, aber genauso die Menschen, die ihnen das antun, die für ihr Leid verantwortlich sind.

Gott hat in Jesus, die aus unserer Sicht so durchgeknallten Amerikaner geliebt und ihren Präsidenten, der so leichtfertig Gottes Namen missbraucht und ihn auf das Nichtige legt. Er hat in Jesus die Menschen in den muslimisch dominierten Ländern geliebt, und die Atheisten und Atheistinnen, die ihre Finger in so manche schmerzende Wunde legen, wo andere sich das nicht mehr trauen, die Intellektuellen, die Skeptiker und die Zweifler, die, denen ihr Glaube über dem, was sie erlebt haben, abhanden gekommen ist.

Jesus beauftragt den Heiligen Geist damit, die Menschen dieser Welt zu überführen, ihnen die Augen aufzutun darüber, dass sie nicht an mich geglaubt haben, dass sie mir kein Vertrauen entgegengebracht haben. Wer von uns will leugnen, in welchem Maß die Erfüllung dieser Aufgabe aussteht? Können wir das ermessen, was für eine Mammutaufgabe Jesus dem Heiligen Geist aufgetragen hat? Wie weit haben wir uns mit unseren milliardenschweren Rüstungsetats von Jesus entfernt, der ohne eine einzige Waffe in der Hand den Soldaten der Hohepriester gegenübertritt und sich gefangen nehmen lässt, der dem Petrus, der ihn aus dieser Situation raushauen will, befiehlt, sein Schwert wieder in die Scheide zu stecken, der gar nicht daran denkt, die Unterstützung der Engelsheere für den schweren, schweren Weg, der vor ihm liegt in Anspruch zu nehmen, der sich in die Mühlen des römischen Justizapparats begibt, in denen sich ein Pilatus symbolisch die Hände in Unschuld wäscht, was ihn nicht davon abhalten, Jesu Todesurteil zu unterschreiben.

Der Heilige Geist hat von Jesus den Auftrag, den Menschen in der Welt die Augen zu öffnen über die tatsächlichen Machtverhältnisse, so wie unser Gott sie sieht. Die Macht auf Erden gehört nicht denen, die über das größte Kapital verfügen. Sie gehört nicht denen, die ihre überlegene Wirtschaftsmacht nutzen, um anderen ihre Bedingungen zu diktieren. Sie gehört nicht denen, die sich weigern, den Ärmsten der Armen ihre Schulden zu erlassen. Die Macht auf Erden gehört dem Herrn, der sich eine Schürze umbindet, der sich eine Schüssel mit Wasser nimmt und seinen müden Schülern und Schülerinnen, die schmutzigen, schmerzenden, nach Schweiß stinkenden Füße wäscht. Sie gehört, denen, die ihm nachfolgen, die sich in seinen Dienst rufen lassen und es ihm gleich tun.

Der Heilige Geist ist von Jesus gesandt, uns die Augen zu öffnen im Blick darauf, wo wir Jesus das Vertrauen verweigern, wo wir unter uns bleiben, unter uns Gleichgesinnten, wo wir uns selbst genug sind, im eigenen Saft schmoren, statt uns von Jesus in die feindselige Welt senden zu lassen, die so wenig von seiner Gnade ahnt, die sie so bitter nötig hat. Der Heilige Geist ist von Jesus gesandt, unseren schwachen Glauben zu stärken, uns glimmende Dochte am Leben zu erhalten, uns frei zu machen von unserer kleinlichen Sorge um unsere Ehre, uns zu heilen von unserer verletzten Eitelkeit, von unseren Illusionen wir könnten keiner Fliege was zuleide tun, von unserem störrischen Beharren darauf, Recht zu haben.

Im Blick auf die Gerechtigkeit aber hat der Heilige Geist von Jesus den Auftrag, der Welt die Augen aufzutun, dass er zum Vater geht, und dass ihr, wie Jesus zu uns sagt, mich nicht sehen werdet. Deshalb geht Jesus, um zur Rechten seines Vaters im Himmel Platz zu nehmen. Nein, nicht um sich zurückzuziehen, nicht um sich der Verantwortung zu entziehen, nicht um uns verwaist uns selbst zu überlassen geht Jesus, sondern um unser Fürsprecher zu werden, um für uns seine Stimme zu erhebe, um für die Stummen und Verzagten, für die Rechtlosen und selbst für uns Ungerechte seinen Mund aufzutun.

Zur Rechten Gottes Platz genommen hat der gekreuzigte und auferstandene Jude Jesus von Nazareth, der die Wundmale des Kreuzes an seinen Händen und Füßen trägt. Ihm, dem Sohn, hat der Vater Platz an seiner Seite eingeräumt, ihm leiht er sein Ohr, auf ihn hört er. Von ihm lässt er sich erinnern, dass sein Augapfel, sein Volk, dass Israel hart bedrängt von seinen Feinden noch immer nach seinem Platz in der Mitte der anderen Völker sucht.

Darüber brüten Vater und Sohn gemeinsam, darin sind sie sich einig, dass diese Welt vor die Hunde geht, wenn sie sie verloren geben, wenn der eine Gott seine Hand auch nur für einen Moment von seiner Welt zurückzieht, wenn er damit aufhört, sich dem Recht des Stärkeren in den Weg zu stellen, wenn er seinen lebendig machenden Geist aus dieser Welt zurückzieht.

Dazu sendet Jesus seinen Geist, dass er der Welt die Augen auftut, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Eine Aufgabe schwer als die andere. Da reicht der Blick auf den einen Anschlag in Afghanistan in dieser Woche, die Hartherzigkeit der Bundesregierung, die sich davon in ihrer Abschiebepraxis nicht erschüttern lässt, die Aufkünndigung des Klimavertrags durch die USA, da reicht aber genauso der Blick in unser eigenes Herz, wie anfällig wir dafür sind, dass die Neidgedanken an unsfressen, wie schnell wir durch eine Kleinigkeit schon wieder den Mut verlieren, obwohl wir doch gerade noch so zuversichtlich waren, da reicht der Blick, wie schwer wir uns damit tun, um zu Verzeihung zu bitten oder denen zu verzeihen, die wir nicht verstehen können, dass wir sofort wieder ein dickes Fragezeichen dahinter machen, dass dem Bösen von unserem Gott die Macht bereits gebrochen ist. Wie gut, heute an Pfingsten zu hören, dass Jesus nicht uns, für die das um so viele Nummern zu groß wäre, sondern den Heiligen Geist damit beauftragt, der Welt und uns die Auge dafür zu öffnen, dass das Böse nicht auf ewig den Sieg behalten wird.

Es gibt noch Vieles, was ich euch zu sagen hätte, aber was ihr nicht tragen könnt, sagt Jesus. Nein, Jesus ist mit uns und seiner Welt noch lange nicht am Ende, sondern noch immer am Anfang. Er hat als unser guter Hirte acht darauf, uns nicht zu überfordern, uns nicht zu sehr anzutreiben, aber er verschiebt das, was ansteht nicht auf den St. Nimmerleinstag, sondern er legt es die Hände des Trösters, der Heiligen Geist, der uns mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott vertritt. Wenn jener kommen wird, der Geist der Wahrheit, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Er wird Euch an die Hand nehmen und einen Schritt nach dem anderen leiten. Er wird Euch die Augen auftun, für Gottes freimachende Wahrheit, dass das Wichtigste noch aussteht, dass das Wichtigste Gott selber noch bevorsteht, der Tag, an dem er im Frieden seiner Menschen wird leben können.

Amen

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