Niemand ist gut als Gott allein Lukas 18,19
We Are Good (Wir sind gut) – Markéta Irglova (MI)
Niemand ist gut als Gott allein. Ich höre diesen Satz Jesu immer als Wohltat, als Erleichterung. Wenn Gott allein gut ist, wenn er das einzige Wesen ist, von dem sich das ohne Einschränkung sagen lässt, dann bin ich frei von dem Zwang, gut sein zu müssen. Meine Lebensaufgabe besteht nicht darin, gut zu sein. Mein Leben ist kein Selbstoptimierungsprogramm nach dem Motto „Gut, besser, am besten“. Mein Lebensziel besteht nicht in der Anstrengung, dass ich gut bin im Unterschied zu den vielen anderen weniger Guten oder eben den Bösen.
Gut sein müssen, gut sein wollen, das kann verdammt anstrengend werden. Ich muss sehen, dass die anderen bloß nichts von den gar nicht so netten Gedanken erfahren, die sich hinter meiner Stirn abspielen, dass sie bloß nicht meinem Neid, meinem Ehrgeiz, meiner überheblichen Arroganz auf die Schliche kommen, meiner heimlichen Erleichterung, wenn den anderen auch Dinge misslingen; meiner Hoffnung, dass der andere nicht zu unserem Treffen kommt, weil dann alles viel einfacher, harmonischer sein wird (streng genommen meine Hoffnung, dass es den anderen nicht gibt).
Gott allein ist gut. Er tut mir gut. Er tut mir gut, auch wenn er „Nein“ sagt. Er tut mir gut, weil er ohne Einschränkungen „Ja“ sagt, weil in seiner Liebe zu mir keine Furcht ist. Er hat keine Angst vor meinen Fehlern, vor meinen Ausrastern, vor meinen hässichen Seiten. Er weiß, dass seine Liebe stärker ist, dass sie Kraft hat, das Böse in mir zu überwinden.
Niemand ist gut als Gott allein. Das ist das Ende unserer Schwarz-Weiß-Gegensätze: die Guten in der einen und die Bösen in der anderen Ecke: hier die guten und dort die schlechten Christen, hier die guten Sunniten und dort die bösen Schiiten, hier das gute Europa und dort der böse Orient und umgekehrt usw.
„Die Einheit (zwischen uns, W.R.) zur Dualität zerrissen, zu ‚es geht um wir-gegen-sie‘, das ist der Ort der Angst, aus dem alle unsere Konflikte stammen.“ (M.I.). Gott allein ist gut. Menschsein heißt: Stückwerk vollbringen, und wissen, dass es Stückwerk bleibt und „Ja“ dazu sagen und das Stückwerk in Gottes Hände legen. Ich empfinde es als eine große Wohltat, mir das klar zu machen.
Nur, eine Beruhigungspille nach dem Motto „Gott allein ist gut. Wir sind böse. Was soll’s!“ ist das sicher nicht.
Marketa Irglova ist eine tschechische Singer/Songwriterin. Sie ist bei uns wenig bekannt, obwohl sie gemeinsam mit Glen Hansard einen Oscar für „Falling Slowly“ aus dem Film „Once“ bekommen hat. Mein Lieblingsstück von ihr trägt den Titel „We are good“.
Vielleicht nicht nur der Titel reibt sich mit dem, was ich bisher geschrieben habe. Aber hängen bleibe ich immer wieder an der Schlusszeile ihres Stücks: Then to look is to see everyone as good as they can be (Dann bedeutet sehen, alle anderen als so gut ansehen, wie sie nur eben sein können).
Ich glaube, die Anderen auf diese Weise zu sehen, das geht nur, wenn man die Frage nach dem eigenen Gut-sein/Gut-sein-wollen hinter sich gelassen hat, wenn man davon frei geworden ist. Es geht nur, wenn mein ewiges Vergleichen „wir die Guten, die anderen die Bösen“ oder wenigstens „wir die Besseren, die anderen die Schlechteren“ hinter mir liegt. Die Anderen nicht auf das reduzieren, wie sie „sind“, wie sie sich geben, wie sie uns erscheinen, sondern in ihnen nach dem suchen, was Gott in sie hineingelegt hat und was er in ihnen jetzt schon sieht. Weil sie wie wir aus dem gleichen Zuhause kommen. Weil sie wie wir unseren Selbst-Wert nicht aus uns selbst haben, nicht aus unseren guten Taten, sondern aus Gottes Liebe, an die uns die Strahlen seiner Morgensonne Tag für Tag erinnern.
W. Reuter