Liebe Gemeinde,
Mit der Frage, die Ihnen auf den Nägeln brennt, wenden sich die Pharisäer an Jesus. Sie machen das nicht unter sich aus. Sie zerbrechen sich nicht einsam einzeln den Köpf darüber: Sie fragen den Rabbi Jesus, weil sie sich von ihm die Antwort erwarten, die ihnen hilft: Wann kommt das Reich Gottes?
Was machst Du mit den Fragen, die Dir keine Ruhe lassen: Werde ich wieder gesund? Finde ich Arbeit? Was wird aus meinem Kind? Werde ich geliebt? Liebe ich genug? Soll ich die Schule wechseln? Steigt mein Verein ab?
Machst Du das allein mit Dir selber ab? Sprichst Du mit Deiner Freundin, Deinem Freund darüber, mit Deiner Partnerin, mit Deinen Eltern? Erzählst Du Gott davon? Rechnest Du mit Gottes Antwort? Bist Du bereit, Dir von Gott helfen zu lassen, seinen Rat anzunehmen, selbst wenn er Dir erst mal gegen den Strich geht?
Wann kommt das Reich Gottes? Was fängst Du mit der Frage der Pharisäer an? Was fangen wir gemeinsam damit an? Lässt Dich die Frage kalt? Geht Sie an Dir vorbei, weil Du zu sehr mit allem möglichen anderen beschäftigt bist? Hast Du Dir abgewöhnt, die Frage zu stellen, weil Du nicht mehr damit rechnest, dass Gottes Reich kommt? Und wenn doch: Was bedeutet Dir die Frage: Wann kommt das Reich Gottes?
Entschuldigt, dass ich schon wieder so viele Fragen stelle! Aber wenn Sie mir doch durch den Kopf schwirren. Und ein vorläufig letztes Fragenbündel kann ich auch nicht unterdrücken: Wie übersetzt Du die Frage für Dich: Wan hören die Menschen, Völker auf, Kriege gegeinander zu fürhren? Wann hören sie damit auf, so viel Geld und gedanklich-seelische Ressource darein, zu setzen, wie man noch effektiver, gezielter, Menschen mit Waffen und Sprengstoff umbringen kann? Wann hören wir auf, Angst vor denen zu haben, die uns fremd sind? Wann bekommt jede so viel zu essen und zu trinken, wie sie braucht? Wann braucht keine Frau mehr, sich Sorgen zu machen, vergewaltigt zu werden? Wann hört die Einsamkeit auf, die äußere und die seelische?
Ist doch ein Segen, wenn wir uns diese Fragen nicht abgeschminkt haben, oder? Ein Segen selbst dann, wenn es Menschen so geht wie den Studenten und Studentinnen, von denen mir vorgestern meine Frau erzählt hat, die zusätzlich zu ihrem Uniprogramm, manchmal schon in den frühen Morgenstunden, ihre Zeit dafür einsetzen, in ihrer Stadt eintreffende Flüchtlinge willkommen zu heißen und ihnen bei den ersten Schritten in der neuen Umgebung behilflich zu sein, und die im Interview sagen: „Wir können einfach nicht mehr.“
Weil es über ihre Kräfte geht, weil es noch immer zu wenige gibt, die sich an diesen Aufgaben beteiligen?
Jesus antwortet den Pharisäer: das Reich Gottes kommt nicht durch Beobachtung. Das Reich Gottes kommt nicht, indem Du auf Deinen Fernseher starrst. Es findet auch nicht in einem Stadion statt, so dass Du von der Fankurve aus mitfiebern könntest. Es kommt nicht, indem Du Dir schöne Gedanken über das Reich Gottes machst oder eine gute Predigt darüber hältst. Es kommt nicht durch Abwarten und Distanz halten.
Es ist nicht hier oder dort, an einem Ort, an dem Du Dich unglücklicherweise gerade mal wieder nicht aufhältst und somit das Nachsehen hast, sagt Jesus. Mach Dir keine Sorgen, es würde nichts draus werden. Mach Dir keine Sorgen, es könnte ohne Dich stattfinden. Es ist nicht unerreichbar fern. Gottes Reich ist mitten unter euch. Gottes Reich ist dort, wo ich bin. Gottes Reich ist dort, wo ihr Gemeinschaft mit mir habt. Es ist dort, wo ihr an meinem Tisch sitzt. Es ist dort, wo ihr in meinem Namen zusammen seid. Gottes Reich ist dort, wo die Kindergottesdienstkinder beim Singen aufspringen und in die Hände klatschen. Gottes Reich ist dort, wo ihr Euch nicht auseinanderdividieren lasst, auch wenn Eure Meinungen ganz schön weit voneinander abweichen.
Gottes Reich ist dort, wo der Mensch, den Du von Neuem enttäuscht hast, Dir trotzdem vergibt. Gottes Reich ist dort, wo mein Geist Dir die Kraft schenkt, Deinem Freund, dieser treulosen Tomate zu vergeben, . Gottes Reich ist dort, wo Deine Lehrerin Dich um Entschuldigung bittet, dass sie Dich gegenüber Deinen Klassenkameraden benachteiligt hat, dass sie Dich viel zu selten dran genommen hat. Gottes Reich ist dort, wo Du darauf pfeifst, die Perfekte zu spielen, die sich keine schwachen Momente erlauben darf. Es ist dort, wo mein Geist Deine Angst austreibt, Dir bei den Dingen helfen zu lassen, die Du alleine nicht bewältigen kannst.
Es ist dort, sagt Jesus, wohin ich meinen Geist sende. Gottes Reich ist dort, wo ich euch hinsende, wie Wölfe unter die Schafe, um zu heilen und Hoffnung zu verbreiten bei dem Menschen, der alles Selbstvertrauen verloren hat.
Gottes Reich sagt Jesus ist dort, wo Du willkommen bist, wo Du in den Arm genommen wirst, wo Menschen mit Dir lachen und sich mit Dir freuen an dem, was Dir gelingt. Es ist dort, wo Du Menschen vertrauen kannst, dass sie Deine Schwäche nicht ausnutzen werden, so dass Du nicht dagegen ankämpfen musst, wenn Dir die Tränen in die Augen schießen.
Gottes Reich ist dort, wo Menschen ihr Leben mit Dir teilen, Dich besuchen, Dir schreiben, Dich nicht alleine lassen, wenn Dir die Kraft fehlt, unter Menschen zu gehen. Gottes Reich ist dort, sagt Jesus, wo Du Dich niemandes schämst, der zu mir gehört. Es ist dort, wo Du meiner und meiner geringsten Brüder und Schwestern willen aneckst, Deinen Ruf riskierst und Du Dich vom Geschwätz der Leute nicht einschüchtern lässt. Gottes Reich ist dort, wo Du mir glaubst, dass mein Geist in Deiner Schwachheit, in Deinem Gestotter, in Deinen unbeholfenen Sätzen, in Deiner Müdigkeit, in Deinem genervt sein mächtig.
Gottes Reich ist dort, wo ihr Euch verbündet, ohne faule Kompromisse zu schließen. Es ist dort, wo ihr Euren Mund aufmacht, bevor es zu spät ist. Es ist dort, wo Ihr für das Recht derer kämpft, die ihre Rechte nicht kennen, deren Geld nicht reicht, sich einen guten Anwalt zu leisten, weil ihr als Bürger von Gottes Reich wisst, was für ein kostbares Gut das Recht ist. Gottes Reich ist dort, wo ihr den Mächtigen die Stirn bietet, weil mein Geist Eurem Geist Zeugnis gibt, dass ihr meine Kinder seid.
Gottes Reich ist kein Niemandsland, es ist nicht fern, nicht unerreichbar, es ist mitten unter Euch.
Möge Gottes Geist den Studenten und Studentinnen, die sich am Ende ihrer Kräfte fühlen, Energie schenken, weiter zu machen. Möge Gottes Geist genug Menschen in Stand setzen , die Lasten der Unterstützung der Flüchtlinge mit ihnen zu teilen.
So versucht Jesus, den Pharisäern und allen Skeptikern unter uns Antwort zu geben, die von der Sorge zerfressen werden, es könnte überhaupt noch etwas mit dem Reich Gottes werden.
Mit seinen Schülern, mit allen, die bereit sind, ihm nachzufolgen, mit allen, die vor Ungeduld brennen, dem Reich Gottes den Weg zu bahnen, redet Jesus so: Es werden Tage kommen, da werdet ihr euch danach sehnen, einen der Tage des Menschensohns zu sehen und ihr werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Sieh hier, sieh dort: geht nicht weg, lauft ihnen nicht nach! Denn so wie der Blitz den ganzen Himmel auf einmal erleuchtet, so wird auch der Menschensohn an seinem Tage sein. Das ist die Kehrseite der Medaille. Sie ist nicht wegzuleugnen. Sie gehört wesentlich dazu. Das Reich Gottes ist nicht unerreichbar fern. Es ist schon mitten unter uns. Es keimt. Es zeigt erste, zarte, verletzliche Triebe. Aber die Sehnsucht bleibt, dass es mit Macht hervorbrechen soll, so dass alle es sehen und erfahren und seine Existenz nicht länger leugnen können. Es bleibt die Sehnsucht, dass es ungehindert hervorbricht, so dass nichts mehr in der Lage ist, sich ihm in den Weg zustellen. Und dass das geschieht, dass das Wirklichkeit wird, dass können wir mit allem Einsatz und Anstrengung unserer Kräfte nicht machen, geschweige denn, dass wir es erzwingen können. Das liegt nicht in unserer, das liegt in Gottes Hand.
Die zarten, verletzlichen winzigen Keime, das ist noch nicht sein Reich, wie Gott versprochen hat, dass es sein wird. Es wird Tage geben, da wird uns alles, was gleichzeitig mit den zarten, verletzlichen Trieben des Reichs Gottes aufwächst, alles was so viel schneller und mächtiger zu wachsen scheint, als bedrängend groß erscheinen. Es wird uns so vorkommen, als ob das Reich Gottes keine Chance hat, sich dagegen zu behaupten und durchzusetzen, sondern dass es droht, davon erstickt zu werden: von dem Hass, von der Gier, von der Angst voreinander, von der Sorge, zu kurz zu kommen, von der Panik, dass es für mich alleine nicht reichen könnte.
Es wird Tage geben, da werden wir uns ähnlich fühlen, wie die Studenten und Studentinnen, die all ihre freie Zeit und ihre Energien für die Unterstützung der ankommenden Flüchtlinge aufwenden. Es wird Tage geben, da werden wir ebenso das Gefühl haben, es geht nicht mehr. Das, was wir in Jesu Namen zu tun versuchen, wächst uns über den Kopf. Das Elend und die Not ist zu groß. Wir können nicht mehr. Wir kommen gegen das, was sich uns in den Weg stellt nicht an.
Das ist nicht verwunderlich, wenn es Euch so geht, sagt Jesus. Das ist nur zu verständlich. Das ist „ normal“. Damit müsst ihr rechnen. Lasst Euch davon nicht kirre machen. Rennt nicht den Leuten hinterher, die sagen: Hier ist Gottes Reich, dort ist es. Rennt nicht der Masse hinterher. Bleibt an dem Ort, an den Gott Euch hingestellt hat, und bereitet ihm dort seinen Weg. Ihr könnt Gottes Reich nicht herbeizwingen. Es ist verständlich, wenn Ihr Euch wünscht, Ihr könntet das, wenn Ihr Euch danach sehnt.
Es tut nicht Not, dass Ihr meint, Ihr müsstet es herbeizwingen. Gottes Reich kommt. Es wächst, aus eigener Kraft, auch ohne Euer Zutun. Es wächst, weil Gott es wachsen macht gegen alle Widerstände, die Menschen ihm entgegensetzen.
Der Tag des Menschensohn kommt wie ein Blitz am Himmel, der den ganzen Horizont im Bruchteil einer Sekunde erhellt. Am Tag des Menschensohns, an meinem Tag, da wird Eure Sehnsucht gestillt sein. Da werden die Fragen und die Unsicherheit von Euch abfallen. Nicht nur von Euch, von alle Menschen, weil aller Welt Enden Gottes Heil sehen werden.
Bittet Gott, dass sein Reich kommt, wie ich es Euch gelehrt habe. Bittet Gott, um offen Augen, dass ihr die Keime seines Reiches mitten unter Euch nicht überseht. Bittet Gott um die Kraft, seinem Reich den Weg zu bereiten. Bittet Gott um die Kraft auszuharren, bis sein Reich sichtbar für alle Menschen kommt.
Amen