Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Wie oft hast Du diese Worte schon gehört? Wie oft hast Du diese Worte schon gesungen, mit anderen zusammen und hast das gern getan? Oder hast du diese Worte gerade eben zum ersten Mal gesungen? Hat Dir das gut getan? Ist Dir das schwer gefallen?
Wenn Du alleine bist, in Deinem Zimmer, mit dem Rollator auf dem Flur oder draußen im Park, führst Du manchmal solche Zwiegespräche mit Deiner Seele und sagst:
Lobe den HERRN, meine Seele, vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat!.
„Das sind aber ne Menge Fragen, mit denen Sie uns da überfallen,“ denken Sie jetzt vielleicht. Was soll ich da so schnell drauf antworten. Was sagen Sie, was sagst Du denn dazu?
Ich habe das Lied gerade gern gesungen. Nicht nur weil es fast wörtlich der Text vom Wochenspruch ist. Es hat auch so eine fröhliche Melodie. Deshalb hab ich es ausgesucht. In der Hoffnung, dass ihnen das auch gefällt.
Ich glaube, das mit dem Zwiegespräch mit der eigenen Seele, das gefällt mir gut. Wenn von Ihnen jetzt jemand auf mich zukäme und sagen würde: Aber Pastor Reuter, was machen Sie denn bei dem herrlichen Wetter für ein Gesicht. Sie müssen Gott mehr loben. Wir haben doch so viel Grund, Gott dankbar zu sein. Ich bin mir nicht sicher, wie ich darauf reagieren würde. Es käme wahrscheinlich sehr auf den Tonfall an, inn denen Sie das zu mir sagen.
Es könnte leicht passieren, dass ich mich unter Druck gesetzt fühle, Gott zu loben. Und wenn sich das sogar wie ein Befehl anhört: Also sie als Pastor werden ja wohl in der Lage sein, Gott zu loben. Ich glaube, da würde ich schnell meine Stacheln ausfahren.
Lobe de Herrn, meine Seele. Vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat. Das gefällt mir gut. Da bin ich selbst verantwortlich für den Ton, in dem ich das zu mir sage.
Wenn ich bete, wenn ich mit Gott spreche, fällt mir immer wieder auf, das meine Gebete zum großen Teil aus Bitten bestehen. Das ist toll, dass wir Gott bitten dürfen, um alles, immer wieder, auch immer wieder um die selben Dinge. Jesus fordert uns mehrfach dazu auf: Bittet, so wird euch gegeben! Klopft an, so wird euch aufgetan! Das Gebet, das Jesus uns beigebracht hat, das Vater-Unser, besteht zum großen Teil aus Bitten.
Ich bitte auch nicht nur für mich. Ich bitte zu einem großen Teil für andere Mensche, für Menschen aus unserer Gemeinde, für Menschen, die mich persönlich darum gebeten habe. Für fremde Menschen auch, für Gottes Welt.
Aber trotzdem. Beten ist mehr als Bitten. Das Vater-Unser endet nicht mit einer Bitte: sondern mit einem Lob auf Gottes Herrlichkeit: dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen. Es tut gut, dass die Bitten des Vater-Unsers in diese vertrauten Schlussworte münden. Ohne den Schluss fehlt etwas Entscheidendes , finden sie nicht.Mag sein, Ihnen geht das anders, aber ich nehme mir das oft vor, Ich will Gott mehr loben. Ich möchte öfter „Danke“ sagen. Ich will das nicht für selbstverständlich nehmen, was ich an Gott habe.
Es ist nicht selbstverständlich wenn ich die letzte Nacht durchgeschlafen konnte, es ist nicht selbstverständlich, wenn ich keine Schmerzen habe, wenn der Kühlschrank und die Regale im Supermarkt voll sind und ich Geld genug zum Einkaufen habe. Es ist nicht selbbstverständlich zu wissen, wo ich die nächste Nacht schlafen werde, Jesus hat das nicht gewusst. Es ist nicht selbstverständlich, nicht fliehen zu müssen. Es ist nicht selbstverständlich eine Familie zu haben. Es ist nicht selbstverständlich Menschen zu treffen, die freundlich sind, die ein Lächeln für mich übrig haben. Es ist nicht selbstverständlich, Kollegen zu haben, zu denen ich Vertrauen habe. Es ist nicht selbstverständlich, dass es in der Gemeinde Menschen gibt, die bereit sind, mitzuarbeiten, die nach einem anstrengenden Arbeitstag noch die Kraft haben sich eine Presbyteriumssitzung anzutun. Es ist nicht selbstverständlich, wenn Menschen mich in ihr Haus, in ihr Zimmer lassen, wenn ich das Gefühl habe, willkommen zu sein.
Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht was er dir Gutes getan hat.
Ja, vergesslich bin ich. Nicht in allem, aber in vielen Dingen. Vergesslich bin ich auch meinem Gott gegenüber. Ich vergesse immer wieder, dass er da ist. Ich vergesse, dass er mit einer Irrsinnsgeduld darauf wartet, dass ich ihn anspreche, dass ich mir Rat bei ihm hole, gerade dann, wenn ich mich allein fühle, wenn ich denke, mir wird alles zu viel, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle.
Vergiss nicht, meine Seele, dass Dein Gott barmherzig und gnädig mit dir ist, geduldig und von großer Güte. Vergiss nicht, dass er mit Dir nicht nach Deiner Schuld handelt. Fällt Ihnen das auch schwer: sich selbst zu vergeben, mit sich barmherzig zu sein, Geduld mit sich zu haben. Fällt Ihnen das auch schwer, sich selbst zu vergeben, dass sie schon wieder weniger geschafft haben, als sie sich vorgenommen haben, dass sie für so eine Kleinigkeit so schrecklich lang gebraucht haben?
Fällt es Ihnen schwer, sich selbst zu vergeben, dass sie den halben Tag mit so einem mürrischen Gesicht rumgelaufen sind. Fällt Ihnen das auch schwer, sich zu vergeben, dass sie so etwas Unüberlegtes, Verletzendes gesagt haben. Ertappen Sie sich auch dabei, dass sie sich freuen, wenn jemand anderem etwas misslingt, wenn Sie das auch nicht so gut kann?
Vergiss nicht meine Seele, dass Du einen Gott hast, der barmherzig und gnädig mit dir ist, geduldig und von großer Güte, der dir alle deine Sünde vergibt, anstatt sie dir wieder und wieder unter die Nase zu reiben.
Fällt es Ihnen manchmal auch so schwer wie mir, anderen Menschen zu vergeben, dass sie nicht das getan haben, was Du von ihnen erwartet hast? Passiert Dir das auch so leicht, dass Dein Urteil schon ziemlich fest steht, noch bevor sie selbst etwas zu ihrer Verteidigung sagen konnten.
Lobe den HERRN, meine Seele, dass Du einen gnädigen, barmherzigen Gott hast, der nicht auf deine schnellen Urteile hört, der sich selber ein Bild macht. Lobe den HERRN, meine Seele, dass Du einen Gott hast, der auch die Menschen, denen Du grollst liebt, und der mit ihnen nicht nach ihrer Schuld handelt.
Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat. Wenn man das ganz wörtlich übersetzt, dann steht da: Vergiss nicht, was Dein Gott für Dich hat reifen lassen. Es braucht Zeit, bis Dinge reifen. Das ist eine Binsenwahrheit. Manches reif ziemlich schnell, manches reift sehr langsam. Es ist verboten, in eine grüne Banane, in einen unreifen Apfel zu beißen. Aber es schmeckt nicht. Du wirst garantiert das Gesicht verziehen, wenn Du es trotzdem versuchst. Lobe, den HERRN meine Seele, dass wir einen Gott haben, der so viel geduldiger ist als wir selbst. Er ist so viel geduldiger mit mir als ich das bin. Er ist so viel geduldiger mit den anderen als ich das bin. Er hat so viel mehr Geduld als wir, die Dinge zwischen uns reifen zu sehen. Lobe den HERRN, meine Seele.
Amen