Predigt zum 23.08.2020 Vom ewigen sich Vergleichen loskommen

Lukas 18,9-14
9 Er sagte aber zu einigen, die auf sich selbst vertrauten, gerecht zu sein
und verachteten die andern, dies Gleichnis:
10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten,
der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11 Der Pharisäer stand aufrecht für sich und betete so:
Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute,
Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.
12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.
13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel,
sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, eher als jener.
Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden;
Und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

 

 

 

 

 

 

Liebe Gemeinde!
Jesus nimmt das wahr, wenn wir auf uns selbst vertrauen, dass, wir gerecht sind und die anderen verachten.
Er liest das in unseren Gedanken,
in unserem Gesichtsausdruck.
Er merkt es an dem Tonfall, in dem wir reden.
Er nimmt es daran wahr, wie wir uns verhalten.
„Aber“, fragt Ihr mich, wieso sagst Du „wir“?
Jesus hat doch nur von einigen gesprochen,
die auf sich selbst vertrauen, dass sie gerecht sind und die anderen verachten.
Wenn ich Jesus zuhöre, dann fallen mir viele Situationen ein, in denen es bei mir so ist:
Ich halte mich selber für gerecht, ich glaube, dass ich gerecht denke, gerecht handle, gerecht empfinde und ich verachte die anderen, weil sie das im Vergleich zu mir in deutlich geringerem Ausmaß sind.
Ich hab gedacht, dass Euch das ähnlich geht wie mir, und deshalb habe ich „wir“ gesagt.
Hab ich mich da getäuscht?
Ihr findet, dass „verachten“ ein sehr krasser Ausdruck ist?
Das stimmt. Das finde ich auch.
Ich hätte das anders formuliert.
Ich hätte eher gesagt: Ich halte mich für gerecht
und ich halte mich für besser als die anderen,
ich fühle mich ihnen überlegen.
Okay, natürlich nicht generell,
nicht in jeder Hinsicht,
aber in dieser speziellen Situation schon.
Ich hätte von mir aus nicht gesagt:
Ich verachte die anderen.
Gibt’s da einen Unterschied zwischen jemanden verachten und sich jemandem überlegen fühlen?
Oder bringt Jesus nur auf den Punkt,
was ich mich geniere auszusprechen,
was ich mich schäme, zuzugeben?
Ein Glück, dass ich nicht eine von denen bin, die sich dauernd bei unserer Mathe-Lehrerin einschleimen. Ein Glück, dass ich nicht so hirnlos daherrede, wie diese zwei arroganten Zicken, die nur noch über ihre Pumps mit darauf gesprühtem Namen und ihrem Swimmingpool auf Mallorca faseln.
So kleinkariert und erbsenzählerisch, so stur, so unflexibel werde ich garantiert nie werden!
Wenn ich so einen grausamen Musikgeschmack hätte, würde ich mich sofort erschießen.
Ich würde mich schämen, mich mit so ner Predigt auf die Kanzel zu wagen. Ein Glück, dass ich nicht so jemand bin, der für die anderen immer gleich einen guten Ratschlag parat hat, ein Glück, dass es mir leicht fällt, meinem Gegenüber erst mal einfach zuzuhören.
Ist doch kein Wunder, dass die Probleme mit ihren Kindern bekommen haben, mussten ja unbedingt beide arbeiten, damit sie sich zwei Autos leisten können.
Ich schufte mich zu Tode und komm auf keinen grünen Zweig, und die bekommen alles vom Staat hinterher geworfen!
Wie kann jemand bloß sovergesslich sein!
Die meinen, sie wären glücklich, wenn sie die halbe Welt bereisten,
die haben überhaupt keine Ahnung, was es bedeutet, krank zu sein, die wissen gar nicht, was wirklich wichtig ist im Leben.
All dieseSprüche, das klingt gehörig nach Verachtung oder wie willst Du das sonst nennen?
Sicher, es bricht nicht immer so grob und mit Absicht verletzend aus uns raus.
Was selbstgerechtes und verächtliches Reden über andere betrifft, können wir auch sehr geschickte Verpackungskünstler*innen sein.
Mag sein, es gelingt uns für eine Weile, den Kern unserer Worte so gut in Watte zu verpacken, dass wir die anderen eine Zeitlang damit täuschen können.
Mag sein, es gelingt uns eine Weile, uns selbst etwas vorzumachen, und wir merken gar nicht, wie verächtlich das klingen muss, wenn wir uns darüber aufregen, wie verächtlich andere über abwesende dritte Personen herziehen.
Unseren Gott täuschen wir sowieso mit nichts von dem.
Für ihn ist nicht nur jeder unserer Gedanken ein aufgeschlagenes Buch. Er kennt auch das ganze Bündel von Gründen, warum wir etwas tun, warum wir etwas unterlassen, oft lange, bevor selbst etwas davon schecken.
Und die anderen? Es dauert nicht so lange, bis sie uns auch auf die Schliche kommen.
Auch sie spüren unsere Selbstgerechtigkeit und unsere arrogante Haltung oft schneller und deutlicher als wir selbst das tun, als wir das selbst wahr haben wollen.
Okay sagst Du, aber ich bin doch nicht durch die Bank soselbstgerecht, so verächtlich gegenüber andern. Es stimmt ja, wenn ich mich mal obenauf fühle, dann passiert das ganz leicht, dass das bei mir in Überheblichkeit, in Arroganz umschlägt, in so ein unterschwelliges Gefühl, den anderen überlegen zu sein.
Aber: wie brüchig ist das. Wie leicht, wie schnell und wie krass kann das ins Gegenteil umschlagen.
Dann bin ich – manchmal innerhalb kürzester Zeit – total verunsichert, krieg die Zähne nicht auseinander, möchte mich am liebsten in ein Mauseloch verkriechen, schäme mich für das, was ich gedacht, gesagt, getan habe.
Ja, antworte ich Dir. Das kenne ich nur zu gut. Und wenn ich jetzt einige von Ihnen, von Euch die Stirn runzeln und überlegen: in was für einen Haufen von Superempfindlichen bin ich da geraten, sei’s drum. Es ist so. Ich kenne diese plötzlichen Umschwünge zwischen innerer Überheblichkeit und sich soo-klein-und beschämt fühlen nur zu gut.
Das ist ja gerade das Elend, wie schnell das von einem Extrem ins andere und wieder zurück kippen kann. Man weiß gar nicht, was da passiert.
Dabei bin ich ein und dieselbe Person, die so hochmütig und so kleinlaut ist, dieselbe Person, die das eine und das andere denkt, tut, fühlt und niemand anderen dafür verantwortlich machen kann.
Jesus nimmt das wahr, wenn wir auf uns selbst vertrauen, dass wir gerecht sind und die anderen verachten.
Er liest das in unseren Gedanken,
in unserem Gesichtsausdruck.
Er merkt es an dem Tonfall, in dem wir reden.
Er nimmt es daran wahr, wie wir uns verhalten.
Es missfällt ihm. Wie sollte es ihm auch gefallen? Er sieht ja, was für ein Schaden daraus entsteht: für die anderen und für uns selbst.
Jesus entrüstet sich nicht über uns.
Er raunzt uns nicht an. Er erzählt uns ein Gleichnis.
Es handelt von einem Pharisäer und einem Zöllner.
Wie oft hat Jesus mit welchen von den Pharisäern lebhaft diskutiert, heftig gestritten. Nicht von ungefähr gerade so viel mit den Pharisäern.
Es ist die Gruppe unter seinen jüdischen Landsleuten die ihm in dem, was sie lehren, am ähnlichstenist.
Mit wem lässt es sich fruchtbarer streiten als mit Menschen, mit denen man viele Berührungspunkte hat.
Ein Pharisäer und ein Zöllner.
Sie haben beide das gleiche Ziel.
Sie wollen hinauf zum Zionsberg, dorthin,
wo der Tempel steht,
um zu beten, um Gottes Angesicht zu suchen.
Der Pharisäer betet im Stehen, so wie wir das im Gottesdienst auch tun.
Er tritt seinem Gott in Augenhöhe gegenüber. Gott will keine Duckmäuser.
Unser Gott lehrt uns,aufrecht zu gehen, Rückgrat zu zeigen?
Er betet bei sich selbst. Er betet nicht laut, um von anderen gehört zu werden.
Gebet ist Gespräch mit Gottund nicht mit anderen Menschen.
Der Pharisäer beginnt sein Gebet mit: „Ich danke dir“. Und was er dann aufzählt, könnte man mit dem Satz umschreiben: Danke für das, was du aus mir gemacht hast.
Es ist nicht mein Verdienst, es ist nicht meine Entscheidung, dass ich heute hier im Tempel stehe und bete.
Ich verdanke das nicht meiner Willenskraft.
Du hast meine Schritte hierher gelenkt.
Dein Geist hat mich getrieben. Ginge es allein nach mir, ich wäre auch so ein Mensch, der mit seinem Leben deinen Namen in den Schmutztritt.
Wenn ich das, was Du willst, gerne tue,ungezwungen, aus freien Stücken, nicht aus Angst vor Strafe:
Du bist es, der das fertigbringt, und dafür danke ich Dir.
Das ich loslassen kann, statt mich an meinen Besitz zu klammern, dass die Angst weg ist, ich könnte zu kurz kommen, da wäre nicht genug für mich selber da: Das hast Du fertig gebracht.
Durch Dich bin ich frei, abzugeben und mit anderen zu teilen.
Danke dafür, dass tut gut. Ich bin so froh, dass du mir diese blöde Angst genommen hast.
Was kann Gott an diesem Gebet bloß stören?
Nur das eine: der Pharisäer schafftes nicht, Gott Danke zu sagen, ohne diese Vergleiche mit einzubauen.
Er kommt beim Danke sagen nicht aus dem Zwang raus, sich von anderen abzugrenzen:
Ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen Menschen.
Er betet nicht: ich danke dir Gott, dass du meine Frau und mich durch Höhen und Tiefen begleitet hast, wenn wir glücklich waren und wenn wir gestritten haben, sondern er betet:
Ich dankeDir, dass ich nicht wie mein Nachbar meine Frau betrogen habe,
ich danke dir, dass ich meine Frau mit den Kindern nicht hab sitzen lassen.
Hast Du, hab ich schon mal so gebetet:
Ich dankeDir, dass ich nicht für Geld zu kaufen bin wie viele unserer Bundestagsabgeordneten.Ich danke dir, dass ichnicht so herzlos zu der syrischen Familie bin wie die russische Frau, die mit ihnen unter einem Dach wohnt?“
Soweit ich mich erinnern kann: Nein.
Was wiegt wohl in Gottes Augen schwerer: Wenn ich mich wie der Pharisäer bei Gott dafür bedanke, dass er mich davor bewahrt hat, ein Räuber, ein Ehebrecher, ein Betrüger wie dieser Zöllner zu sein oder wenn mich in Gedanken vor mir selbst, in Worten und Taten vor anderen damit brüste, was für ein toller Hecht ich bin:
Ein Glück, dass ich nicht so auf dem hohen Ross sitze.
Ein Glück, dass ich mit meinem Christsein nicht wie andere hausieren gehe,
ein Glück, dass ich in der Lage bin, Kritik anzunehmen, zuzugeben, dass ich Mist gebaut habe. n
Ein Glück, dass ich meine Hände nicht in Unschuld wasche, dass ich mir die Frage stelle, wo mein Anteil liegt, an dem, was zwischen uns, schief läuft.
Gut, dass ich nicht so selbstgerecht wie die anderen bin.
Ich weiß, wie tief dieser Hang zum Vergleichen in mir steckt.
Ich weiß, wie stark der Wunsch in mir ist, ein guter Mensch sein zu wollen, einer der dafür geliebt wird.
Und ich sehne mich danach, von dieser Vergleichereiloszukommen?
Der andere Mensch, der sich zum Tempel aufmacht, um zu beten, ist ein Zöllner.
Er weiß, dass die anderen ihn wegen seiner beruflichen Betrügereienverachten.
Er spürt, was in ihren Köpfenabgeht, wenn sie seinetwegen die Straßenseite wechseln. Es ist leicht, ihre Gedanken zu lesen: Römerknecht, Verräter, mieser kleiner Betrüger, Abzocker.
Und er kann die Leute verstehen, sie haben ja Recht.
Es fällt ihm doch selbst schwer, sich morgens in den Spiegel zu sehen.
Der Zöllner wagt sich nicht bis ins Zentrum des Tempels vor. Er hält gebührenden Abstand.
Er wagt sich, obwohl er doch auch Jude ist wie der Pharisäer.
Er traut sich nicht, mit den Augen nach oben zum Himmel zu sehen. Sein Blick klebt am Boden.
Er schlägt sich an seine Brust, an sein Herz, wie es sonst nur trauernde Frauen tun.
Sein Gebet ist ganz kurz. Es besteht nur aus einem Stoßseufzer: Gott, sei mir, dem Sünder gnädig!
Habt Ihr noch Jesu Kommentar am Schluss seiner Geschichte im Ohr:
Im Unterschied zu dem Pharisäer ging der Zöllner gerechtfertigt in sein Haus zurück,
befreit von der Last, mit der er sich den Tempelberg hinaufgeschleppt hat,
mit neuem Mut, den Menschen in die Augen zu sehen,
mit neuer Energie, sich nicht weiter treiben zu lassen, sondern seinem Leben eine andere Richtung zu geben?
Vergebung bleibt nicht ohne Folgen. Vergebung verändert, Vergebung befreit.
Sie weckt in Dir eine Freude und Zuversicht, die du nicht mehr für möglich gehalten hättest.
Du hast keine Lust mehr, die Alte zu bleiben, weil Du nicht mehr die Alte bist.
Jesus sagt: Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Der, der sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Hört auf, euch mit anderen zu vergleichen!
Grenzt euch nicht von den anderen ab!
Das vergiftet nur euer Leben.
Traut euch, mit leeren Händen vor euren Gott zu treten! Lasst euch beschenken!
Darauf liegt Segen! Das macht euch heil!
Was bringt uns dazu, zu beten: Herr, sei mir, dem Sünder gnädig?
Wie schrecklich, wenn das nur ne fromme Masche, nur die Bitte um die Erlaubnis wäre, mit Gottes Segen alles beim Alten zu belassen und mit allem so weiter zu machen!
Braucht es, um so schlicht und aufrichtig zu beten, braucht es, um sich von Gott beschenken zu lassen, die Erfahrungen des Zöllners?
Müssen wir dazu selbst die Erfahrung gemacht haben, wie das ist, geschnitten,angegiftet, wie der letzte Dreck behandelt zu werden?
Und wie wird es dem Zöllner gehen, wenn er das nächste Mal in den Tempel kommt, um sich bei Gott dafür zu bedanken, was sich in seinem Leben geändert hat?
Wird er dann ähnlich beten, wie vorher der Pharisäer: Gott ich danke dir, dass ich nicht mehr so bin wie meine früheren Zöllnerkollegen, die noch immer die Leute übers Ohr hauen?
Was bewahrt denZöllner, was bewahrt uns davor, immer von neuem in die Falle der ewigen Vergleicherei mit anderen zu tappen.
Wir selbst werden es nicht schaffen, uns davor zu bewahren, so viel ist sicher.
Niemand wird uns davor bewahren, wenn nicht unser Herr selbst, der uns dieses Gleichnis erzählt.
Nur der, der uns anspricht, der uns sein Wort gönnt, der, der uns nicht für hoffnungslose Fälle hält, sondern der uns seiner Kritik für würdig hält, nur der bewahrt uns vor der Falle unserer ewigen Vergleicherei mit anderen.
Er, der uns nicht verachtet, er, der keinen Gefallen daran hat, besser zu sein als wir, er, der nicht für sich selbst beansprucht, gut zu sein, sondern der alle Ehre dem Vater gegeben hat,er, nur er holt uns aus dieser Falle heraus.
Er tut das, der sich nicht zu schade war, wie ein Verbrecher behandelt zu werden, obwohl er unschuldig war.
Er; Jesus, unser Herr, der uns liebt, der wird den Vater im Himmel bitten, dass er unser stolzes, eitles, ängstliches und um unser Ansehen besorgtes Herz heilt,
damit wir in rechter Weise demütig werden,
damit wir den Blick heben lernen, ohne nach unten oder zur Seite zu treten,
damit wir als freie, beschenkte Menschen leben können.
Der Vater im Himmel wird Jesu Bitte für uns erhören. Darauf lasst uns vertrauen!
Amen

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