Predigt zum Sonntag Rogate (Bittet!), 17.05.2020

 

 

 

 

Es weiß nämlich euer Vater im Himmel, was ihr nötig habt, noch bevor ihr ihn darum bittet.“

Wenn Du betest, wenn ich bete, sprechen wir mit jemandem, der weiß, was Du, was ich nötig haben.

Allein dieser eine Satz wiegt schwer.

Ich jedenfalls empfinde das so.

Ich freue mich, dass Jesus ihn sagt und seine Worte sich in meinem Ohr festsetzen.

Ob es mir deshalb schwer fällt, ihn zu glauben, weil er zu schön klingt, um wahr zu sein?

Gott weiß, was ich nötig habe.

Nicht nur, was ich glaube, nötig zu haben, sondern was mir wirklich gut tut.

Betest Du?

Ich meine, wenn Du nicht wie jetzt hier mit den anderen zusammen in einem Gottesdienst bist.

Betest Du regelmäßig?

Allein zu Hause, in Deinem Zimmer?

Wenn Du unterwegs bist,

wenn Du im Zug sitzt, wenn Du beim Einkaufen in der Schlange stehst?

Hast Du in den letzten Wochen häufiger gebetet als sonst?

Ist Dir das Beten in den letzten Wochen besonders schwer gefallen?

Hast Du es ganz aufgegeben?

Vielleicht schon vor langem?

Hat Dir das gemeinsame Beten mit den anderen gefehlt?

Der Vater im Himmel weiß,

was Du und was ich nötig haben.

Er weiß auch, wann und warum uns das Beten Not bereitet.

Mir fällt das regelmäßige alleine Beten in meinem Zimmer oft schwer.

Ich habe Mühe, mich zu konzentrieren.

Ich schweife so leicht in meinen Gedanken ab.

Wenn ich gleich nach dem Aufwachen zu beten versuche, bin ich stets in der Gefahr, beim Beten einzuschlafen.

Nimmt Gott mir das übel?

So wie Jesus enttäuscht ist, dass seine Schüler in Gethsemane nicht eine Stunde in der Lage sind, gemeinsam mit ihm zu wachen?

Oder gilt fürs Beten Ähnliches wie fürs Einschlafen im Kino?

Wenn bei einem Film einschlafen heißt, sich dem Film anvertrauen,

heißt dann beim Beten einschlafen, sich Gott anvertrauen?

Oder ist das gotteslästerlich, so etwas zu denken, so etwas zu sagen?

Wie oft denkt Gott wohl, dass ich beim Beten wie ein Heide plappere?

Einfach viel zu viele Worte mache, so als ob ich ihm Sachen erst erklären müsste.

Beim Beten hier in der Kirche;

erst recht dann, wenn ich allein bin.

Ich bitte gar nicht so viel für mich selbst. Ich bete viel und regelmäßig für andere Menschen. Eine lange Liste.

Meist nenne ich einfach nur ihre Namen. Und trotzdem: ist das nötig, dass ich Gott Tag für Tag an ihre Namen erinnere?

Gott weiß doch viel besser als ich,

was die, für die ich bete, nötig haben.

Der himmlische Vater weiß, was Du und ich nötig haben.

Er weiß, was alle seine Menschen nötig haben.

Er weiß, welche Not wir mit dem Beten haben.

Im Unser-Vater-Gebet kommt Jesus unserer Not zu Hilfe.

Er lehrt uns, wie wir beten sollen.

Geht es Dir ähnlich wie mir?

Machst Du das auch manchmal, dass, wenn Dir das alleine Beten schwer fällt, Du Zuflucht bei den Worten des Unser-Vaters suchst?

Geheiligt werde Dein Name!

Es tut uns Not, es ist heilsam, dass wir den Blick von uns selbst lösen.

wir konzentrieren uns, um ein Gespür dafür zu bekommen, was dem himmlischen Vater auf den Nägeln brennt.

Was ist ihm wichtig?

Was verschafft ihm Gewicht?

Nein, unser Vater im Himmel hat es nicht nötig, von uns über irgendetwas informiert zu werden.

Aber unser Beten stärkt ihn.

Unser Gebet kommt ihm zur Hilfe.

Wenn Du betest, zeigst Du ihm, dass Du nach ihm suchst, dass er für Dich zählt.

Er spürt, dass Du nicht ohne ihn sein willst. Dass Du nicht ohne ihn bleiben willst.

Geheiligt werde Dein Name!

Unser Vater! Du weißt, wie Du uns trösten kannst: so wie eine Mutter das mit ihren großen Kindern tut:

Geheiligt werde Dein Name!

Hör nicht auf, dafür zu kämpfen, dass Dein Name geheiligt wird!

Setzt Dich dagegen zur Wehr, dass Dein Name lächerlich gemacht, verzerrt, entstellt, in den Dreck gezogen wird:

durch das, was wir tun;

durch das, was wir unterlassen;

durch dass, was wir gedankenlos daherreden!

Geheiligt werde Dein Name durch uns!

Gib mir genug Kraft, dass ich mich heute Deiner nicht schäme;

dass ich Deinen Namen nicht gedankenlos in den Mund nehme;

dass ich ihn nicht missbrauche, um anderen Angst einzujagen;

dass ich Deinen Namen nicht für meine Zwecke missbrauche:

für meine Rachefeldzüge,

für meinen Traum, ein bisschen mehr allmächtig zu sein!

Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Wir haben das nötig. Gott wartet darauf. Wir sollen, wir dürfen darum bitten, dass das Reich unseres Gottes kommt, der die Niedrigen erhebt und die Mächtigen vom Thron stößt.

Das ist nicht das Reich der großen Konzerne, die dort eine neue Fabrik aufbauen, wo die Lohn- und die Lohnnebenkosten am billigsten für sie sind.

Gottes Reich ist nicht das Reich von „Amerika zuerst!“, „China zuerst!“, „Europa zuerst!“, „Deutschland zuerst!“, „unser Land zuerst!“

Es ist nicht das Reich von uns westlichen Industrieländern, die immer dann einige Millionen in die armen Länder pumpen, wenn sie befürchten, dass die Zahl der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, anwachsen könnte.

Es ist nicht das Reich der Waffenexporteure, die ihre Produkte in Diktaturen und Kriegsgebiete liefern. Gottes Reich ist das Reich, das Jesus verkündigt.

Es ist das Reich, für das er bereit war, zu sterben. Es ist das Reich, in dem alle, die großen Hunger und Durst nach Gerechtigkeit haben satt werden und nicht mehr durstig bleiben müssen.

Gott weiß, dass wir das nötig haben:

Wenn zwischen uns sein Wille geschieht, dann ist das Balsam für unsere Körper und für unsere Seelen.

Deshalb sollen, deshalb dürfen wir ihn bitten, dass zwischen uns sein Wille geschieht:

Hilf, Vater, dass Dein Wille geschieht: zwischen den Kranken und den Gesunden, zwischen den Menschen, die sich infiziert haben, die Angst davor haben, sich zu infizieren und denen, die keinen Bock darauf haben, sich einen Kopf darum zu machen.

Dein Wille geschehe zwischen uns Alten, und Euch Jungen. Zwischen uns Alten, die auf dem Weg sind, ihr Gedächtnis zu verlieren, die zumindest Angst davor haben, dass das passieren könnte, und Euch Jungen.

Ihr Jungen macht Euch auch Sorgen um die Zukunft.

Manchmal strotzt ihr nur so vor Tatendrang, alles anders zu machen,

manchmal seid ihr niedergeschlagen von dem Druck, dass schon in der Schule immer nur Leistung, Leistung zählt.

Gott weiß, dass wir es nötig haben, dass es heilsam für uns ist, wenn zwischen uns Männern und Frauen sein Wille geschieht, wenn die Frauen die Mehrfachbelastung von Beruf, Haushalt und Kindererziehung nicht allein tragen müssen. Wenn wir Männer unseren Teil dazu beitragen.

Gott will, dass zwischen denen unter uns, die in diesem Land geboren wurden, und denen unter uns, die hier ein neues Zuhause gesucht und gefunden haben, nicht Angst und Misstrauen regiert, sondern dass Vertrauen zu seinem gnädigen Willen wächst.

Gott weiß, dass wir das nötig haben, dass es Balsam für unseren Körper und für unsere Seelen ist, wenn das passiert.

Gott weiß, wie nötig wir es haben, dass zwischen Dir und mir nicht unsere Urteile übereinander regieren.

Er will, dass ich genug Mut bekomme, die andere höher zu achten als mich selbst.

Gott weiß, wie heilsam es für mich ist, dass er sich meinem Hochmut und meinem so schwer zu stoppenden Ehrgeiz in den Weg stellt.

Gott weiß, was wir heute an täglichem Brot brauchen, an Brot für den morgigen Tag: an Essen und Trinken, an Schutz gegen die Kälte, ein Dach über dem Kopf.

Er weiß, was wir an Wärme und Zärtlichkeit brauchen und einen Menschen, der zuhört.

Gott weiß, was Du heute davon brauchst: ob Du Arbeit hast oder so lange schon keine; ob Du hier in Vlotho lebst oder in Tambarare, Tanzania.

Gott weiß, wie heilsam und unumgänglich es ist, dass wir einander vergeben.

Wenn das nicht passiert, kann Gottes Reich nicht kommen.

Gott weiß, wie nötig uns das ist, dass wir einander vergeben, dass wir den ersten Schritt tun, dass wir damit anfangen, den anderen zu vergeben, ihnen ihre Schulden zu erlassen.

Es ist auffällig, wie sehr Jesus besonders diese Bitte auf der Seele liegt, die uns oft so zögerlich über die Lippen geht.

Wie soll Gott uns reichen Industrieländern vergeben, wenn wir uns weigern, den hochverschuldeten armen Ländern ihre Schulden zu erlassen?

Wir haben sie doch mit unserer wirtschaftlichen Überlegenheit angetrieben, dass sie immer mehr Schulden machen müssen. Jetzt sitzen sie in der Schuldenfalle fest. Wie sollen sie da alleine wieder rauskommen?

Wie soll Gott unsere Schuld vergeben, wenn wir uns Tag für Tag, Jahr für Jahr in die alten Geschichten verbeißen?

wenn wir immer wieder damit anfangen, was uns angetan wurde?

Gott wartet darauf, dass wir ihn um die Kraft anflehen, dass zu tun, wozu wir selber nicht in der Lage sind: denen zu vergeben, die das in unseren Augen nie und nimmer verdient haben.

Wie soll mir Gott vergeben, wenn ich so blind bin und gar nicht merke, wie geduldig er mit mir ist.

Er erträgt geduldig, wenn ich eitel und stolz bin. Er trägt und liebt mich trotzdem.

Wie könnte Gott sich damit begnügen, bei uns einfach nur mit dem Schwamm drüber zu gehen?

Wie könnte er Dich und mich in unserer Unfähigkeit, vergeben zu können, verkommen lassen?

Wie könnte er uns in der Trostlosigkeit, in der Freudlosigkeit sitzen lassen, die das mit sich bringt?

Bitte, lieber Vater im Himmel:

Hol uns raus aus dieser Versuchung, dass wir immer die bleiben wollen, die wir sind!

Gelobt, gesegnet sei unser Gott.

Er weiß, was Du und ich nötig haben. Er weiß, was unsere Welt nötig hat, damit ihre Wunden heilen können.

Das Gottes Wille geschieht ist kein schöner Traum. Es gibt schon eine Ort, wo das passiert.

Danke, Herr, dass Du uns Du uns beibringst, bitten zu lernen: Im Himmel geschieht schon dein Wille: Bitte hilf, das Dein Wille auch auf unserer geschundenen Erde Wurzeln schlägt. Amen

 

Bibeltext: Matthäus 5,6-15

5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler,

die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden.

Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist;

und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

7 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.

8 Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

9 Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.

10 Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

11 Unser tägliches Brot gib uns heute.

12 Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

13 Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.

15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

 

 

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