Predigttext, 3. Mai 2020: Johannes 15,1-10, 16-17
vollständiger Bibeltext am Ende des Artikels
Zu einer Frucht heranwachsen!
Einer sein, einer werden, der andere fröhlich macht;
eine, die anderen ein Lächeln ins Gesicht zaubert!
Einer sein, eine werden, die anderen guttut!
Eine sein, einer werden, der sich selbst guttut; eine, die sich selbst leiden mag.
So oder so, zu einer Frucht heranwachsen!
Ob Du vor Gesundheit, vor Energie, vor Ideen nur so strotzt;
ob Du schwer krank bist, ob Du nicht weißt, wie Du die Schmerzen weiter aushalten, woher Du die Kraft nehmen sollst, gegen Deine Depressionen anzukämpfen!
Ob Dir die Decke auf den Kopf fällt, ob Du Dich fragst; ob Dir die Dünnhäutigkeit der anderen und Deine eigene Dünnhäutigkeit, die Du gerne bestreitest, auf den Wecker gehen!
Ob Dich die anderen bewundern, wie ausgeglichen Du noch wirkst und Du denkst: wenn die wüssten, wie viel Kraft mich das kostet!
Ob Du Dich freust, dass Du in dieser Woche endlich wieder arbeiten durftest; ob Du aufatmest, dass Monatsanfang ist und wieder ein bisschen mehr Luft auf Eurem Konto; ob Du nicht weißt, wo Du nächste Nacht einen Platz zum Schlafen finden wirst!
Ob Du im beschauliche Vlotho wohnst; in Msomera, Tansania, in der Massaisteppe; in Brooklyn, New York; ob Du seit 5 Monaten in einem Flüchtlingslager auf Lesbos ausharrst; ob an dem Ort, an dem Du lebst weiter geschossen und gebombt wird!
So oder so, in jedem Fall: zu einer Frucht heranwachsen!
Ein Mensch sein, ein Mensch werden, der es riskiert die Menschen, auf die er trifft, zu lieben:
Die, deren Nähe Du suchst; die nach deren Nähe Du Dich sehnst.
Die, die Dich mit Deiner Zeit und Deiner Kraft in Anspruch nehmen.
Die Menschen lieben, denen Du gar nicht aus dem Weg gehen kannst, weil sie Deine Vorgesetzten sind, Deine Kolleginnen, Deine Nachbarn, weil Du im Flüchtlingslager Wand an Wand mit ihnen wohnst.
Deine Kinder lieben, Deine Eltern, Deine Schwestern und Pfleger, Deine Patienten, für die Du Verantwortung trägst.
Die Ekelpakete lieben, als die Dir andere vorkommen. Das Ekelpaket lieben, das Du selbst sein kannst.
Ein Mensch sein, ein Mensch werden, der sich von niemandem davon abbringen lässt, dass es die Mühe lohnt, Dich Tag für Tag in die kräftezehrende Arbeit zu stürzen, die Menschen zu lieben, mit denen Du zusammentriffst, mit denen Du Deinen Alltag teilst.
Ein Mensch sein, ein Mensch werden, der sich von anderen wieder aufhelfen lässt und weitermacht, jedes Mal, wenn er mit all seiner Entschlossenheit, die anderen zu lieben, erneut kläglich auf die Schnauze gefallen ist.
Ein Mensch sein, ein Mensch werden, der sich freut, dass das Leben ihm die Flausen ausgetrieben hat: Romantische Gefühle sind toll. Aber lieben, dazu gehört noch so viel mehr. Lieben fordert Dich als ganzen Menschen, Dich mit allen Deinen Gefühlen, mit Deinem Verstand, mit Deinem Herzen, mit Deiner Entschlossenheit, mit Deinem Willen, mit Deiner Geduld, mit Deinen sämtlichen Kräften.
Sich darüber freuen, dass es so ist und dass es gut so ist.
Ein Mensch sein, ein Mensch werden, der sich traut, zu lieben. Das ist nicht nur ein schöner Traum, sagt Jesus: Wie mich der Vater geliebt hat, habe auch ich Euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!
Gott liebt. Gott bleibt nicht für sich. Gott sucht Wesen, die seine Liebe erwidern. Wer wäre Gott ohne sie?
Gott sucht und er findet. Mein Vater liebt mich, sagt Jesus. Ich tue, was er will. Ich tue das, was ihn freut, weil ich weiß, dass er mich liebt.
Ich bleibe nicht für mich, sagt Jesus. Ich suche die, die meine Liebe erwidern. Ich suche. Und ich finde. Wie ein Weinstock nichts von seiner Kraft behält, sondern sie seinen Reben gibt, so gebe ich meine ganze Kraft für Euch. Ich will nichts für mich allein. Ich behalte nichts für mich zurück. Ich wasche Eure dreckigen, verschwitzten Füße. Ich gebe mein Leben für Euch.
Nicht ihr habt mich, ich habe Euch erwählt. Ich habe mich für Euch entschieden. Ich tue es jeden Tag aufs Neue. Ich will, dass ihr hingeht und viel Kraft bringt. Ich will, dass Ihr einander liebt so wie ich Euch liebe. Ich will, dass Ihr einander Eure dreckigen, verschwitzten Füße wascht. Ich will, dass Du dem Menschen, der Dir wie ein Ekelpaket erscheint, die dreckigen, verschwitzten Füße wäschst. Ich will dass Du, wenn Du Dich selbst wie ein Ekelpaket fühlst, erlebst, wie gut es tut, dass ein anderer, eine andere Dir die dreckigen, verschwitzten Füße wäscht.
Ich will, dass Ihr das tut, damit meine Freude in Euch kommt. Ich will, dass Ihr mit Freude voll seid. Ohne mich seid Ihr ohne Lebenskraft. Ohne mich vertrocknet Ihr. Ohne mich geht Ihr Euch gegenseitig an die Gurgel. Ohne mich zerfleischt Ihr Euch. Ohne mich geht Ihr an Eurer Angst voreinander zugrunde. Ohne mich bleiben Eure Schotten dicht. Ohne mich kreist Ihr endlos darum, recht zu behalten. Ohne mich belasst Ihr es bei Almosen, statt das Recht der anderen zu achten, statt zu helfen, es aufzurichten. Ohne mich bleibt es bei „Meine Familie zuerst!“ „Mein Betrieb zuerst!“ „Deutschland zuerst!“ „Europa zuerst.“ Ohne mich könnt Ihr nichts tun.
Nicht Ihr habt mich, ich habe Euch erwählt, dass Ihr hingeht und viel Frucht bringt, dass Ihr tut, was ich Euch befehle: Wagt es, einander zu lieben!“
Was lösen Jesu Worte aus? Was richten sie an? Bei Dir, bei mir, die wir uns zu Jesu Gemeinde zählen. Bei Dir, der Du bis hierhin gelesen hast, obwohl Du von Dir sagst, dass Du nicht glaubst, und wenn doch, dann jedenfalls nicht an Jesus?
Bist Du, bin ich empört, verstimmt? Fühlen wir uns auf den Schlips getreten: Wie kannst Du so reden, Jesus? Wie kannst Du sagen, dass wir ohne Dich nichts, gar nichts tun können?
Ist das alles Nichts in Deinen Augen: alles, womit wir uns abrackern; alles, was wir versuchen, auf die Beine zu stellen? Ist das alles Nichts in Deinen Augen, was in unseren Krankenhäusern, auf den Intensivstationen, was in den ungezählten Telefon- und Videokonferenzen beraten, diskutiert, geplant und nach bestem, vorläufigem Wissen entschieden wird? Ist das alles Nichts in Deinen Augen, was Alleinerziehende und Ehepartner in Doppel- und Dreifachbelastung unter den Bedingungen von Home-Office auf die Beine stellen? Ist das Alles nichts in Deinen Augen, was im Kleinen, im Verborgenen, ohne dass eine Aufhebens davon macht geschieht, ohne dass eine Kamera auch nur von Ferne Wind davon bekommt?
Ob Jesus wohl sehr verblüfft darüber ist, wenn Du, wenn ich, wenn Ihr so reagiert? Ob er sich fragt, ob wir da nicht etwas völlig in den falschen Hals bekommen haben?
Bleibt in meiner Liebe! bittet uns Jesus. Bei allem, was Ihr tut, bei allem, was Ihr lasst. Bei allem, was ihr sagt, bei jedem Schritt, den Ihr geht. Bei jedem Atemzug, der Euch schwerfällt. Kappt die Verbindung nicht!
Nicht ihr habt mich, ich habe Euch erwählt! Ihr bringt viel Frucht. Ihr werdet viel Frucht bringen! Du wirst viel Frucht bringen.
Wehrst Du Dich dagegen, dass Du geliebt wirst? Warum wehrst Du Dich dagegen, zu glauben, dass ich Euch liebe!
Ohne mich könnt Ihr nichts tun!
Bist Du froh, dass es Jesus gerade so und nicht anders sagt? Froh, dass er ohne Sorge ist, er könnte unseren Stolz verletzen, ohne Sorge, dass wir wie beleidigte Leberwürste reagieren?
Ja. Ich bin es. Ich bin froh, dass Jesus sagt: Bleib(t) in meiner Liebe! Ich bin froh, dass er mir die Hände entgegenstreckt und mich hochzieht, wenn ich beim Versuch, zu lieben, schon wieder auf die Schnauze gefallen bin.
Es ist so ermüdend, an sich selbst glauben zu müssen.
Darauf will ich vertrauen, daran halte ich mich fest: Wenn ich untreu bin, dann bleibt er treu, weil er sich selbst nicht verleugnen kann.
Amen, das heißt: es werde wahr. W. Reuter
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner.
2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.
3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.
4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen.
7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.
8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Schüler werdet.
9 Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!
10 Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe.
16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er’s euch gebe.
17 Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.