Predigt zum 19. April 2020: Jesaja 40,26-31

 

 

 

 

Hebt eure Augen in die Höhe und seht!                        

vollständiger Bibeltext                                   am Ende des Artikels

 

Gott meldet sich zu Wort und spricht, traut sich das zu, uns zu erreichen. Wie oft wünsche ich mir, dass Gott das tut, wenn ich morgens früh nach dem Aufwachen zu beten versuche, und in Gedanken wieder und wieder abschweife, keinen Ausweg aus meinem eigenen Gedankenkarussell finde oder von meiner Müdigkeit eingeholt werde, weil ich zu wenig geschlafen habe?

Gott setzt auf die Kraft seiner alten Worte. Sie haben den Juden und Jüdinnen gut getan, die an den Ufern von Euphrat und Tigris, in Babylon gesessen und geweint haben: weil der Tempel in Jerusalem in Schutt und Asche liegt und die Stadtmauern und viele Häuser auch. Und weil die geschundene Stadt so unerreichbar weit weg ist, und Gott in ähnlich weiter Ferne, mindestens.

Gebe Gott, dass seine Worte etwas in Deinem und meinem Herzen in Gang bringen und in unserem Verstand!

„Hebt eure Augen nach oben! Seht, wer diese alle geschaffen hat! Ihre ganze Schar führt er heraus. Er ruft sie alle mit Namen.So viel Macht, eine so starke Kraft! Keins von ihnen fehlt.“

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal in den nächtlichen Sternenhimmel gesehen habe. Das Leuchten der Sterne vor dem tiefblauen, fast schwarzen Nachthimmel sieht wunderschön aus. Aber wenn ich allein damit bin und anfange über die unendlichen Entfernungen nachzudenken, die Millionen von Lichtjahren, bekomme ich mulmige Gefühle. Als Kind war das schon so. Wie unfassbar winzig und unbedeutend sind wir und unser blauer Planet.

Unser Gott schert sich nicht um meine Grübelei, nicht um mein Beeindrucktsein durch Urknalltheorien und die Rechenspiele der Naturwissenschaftler*innen. Er erinnert Dich und mich. Ich rufe sie mit Namen auf. Ich kenne ihre Zahl. Keiner von ihnen geht mir verloren.

Ich habe eine Weile gebraucht, bis es bei mir gedämmert hat: dass muss der Bibelvers sein, nach dem das noch immer vielen vertraute Kinderlied gedichtet ist: „Weißt Du wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelzelt… Gott, der HERR, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Schar, an der ganzen großen Schar… Kennt auch Dich und hat Dich lieb, kennt auch Dich und hat Dich lieb.

So wie Euer Schreien mir in den Ohren gegellt hat, ihr vom Haus Jakob, ihr vom Haus Israel; so wie ich Euch aus der Sklaverei herausgeführt hab und der Pharao es nicht verhindern konnte; so wie mir keiner von Euch in den Fluten des roten Meeres verloren gegangen ist, so kenne ich die Sterne mit Namen und führe sie heraus auf ihre Bahn.

Wie könnt ihr bloss sagen: „Mein Weg ist vor IHM verborgen, mein Recht ist unserm Gott schnuppe?“

Das wünscht sich Gott, dass alle seine Kinder daran denken, an dem Ort, wo sie gerade sind und hinauf zum Sternenhimmel blicken: Du bei der Zigarettenpause während der Nachtschicht auf dem Krankenhausbalkon, bevor Du zurück zu Deinen Intensivpatienten gehst; Du in Deinem Bett im Seniorenheim, wenn das Mondlicht durch die Schlitze deiner Jalousien fällt; Du verwaiste Mutter in Syrien, die schon froh über wenigstens ein bis zwei Wochen Waffenstillstand wäre; Du geplagt von der Angst, wovon ihr den Rest des Monats einkaufen sollt, weil euer Hartz IV Geld schon jetzt von den Ratenzahlungen aufgebraucht ist; Du, der sich davor fürchtet, wen Du wirst entlassen müssen müssen, wenn auch die Entlastung durch das Kurzarbeitergeld nicht mehr ausreicht.

„Hast Du’s nicht erkannt?“ will Gott wissen. Wir fühlen uns herausgefordert. „Ein trotziges „Nein, wie sollte ich?“ liegt uns auf der Zunge.“ Wir versuchen es hinunterzuschlucken. Noch bevor uns das gelingt, hat Gott weitergesprochen:

„Habt ihr nicht gehört, dass Euer Gott der ewige Gott, der Gott dieser Weltzeit ist, der die Enden der Erde erschaffen hat? Tausend Jahre sind für mich wie der Tag, der gestern vergangen ist, ja wie eine Nachtwache. Aber ich bin heute Euer Gott. Ihr seid Menschen, ihr seid nicht Gott. Wer wüsste das besser als ich, dass für Euch der heutige Tag zählt, der nächste Tag, der vor Euch liegt?

Wenn Du nicht schlafen kannst, wenn Du auf keinen Fall einschlafen darfst, wenn Du ganz allein im Haus bist, wenn da außer Dir nur die Menschen sind, die Du liebst, die Du bestimmt nicht wecken wirst, weil Du Dich für sie freust, dass sie schlafen können, bitte, glaub mir: Ich, Dein Gott, bin jetzt für Dich da: Ich bin nicht müde, ich werde nicht matt. Mich störst Du nicht. Sprich! Raus mit dem, was in Dir brodelt! Und ich will versuchen, Dir zu antworten.

Ich verspreche, Dir müdem Menschen Kraft zu geben. Ich gebe Dir Kraft, dem die tausend Dinge, die Du gerade zu tun hast, die Menschen, für die Du Verantwortung trägst, alle Energie aus Dir heraussaugen. Ich weiß, es sind nicht nur die alten Menschen unter Euch, denen das zu schaffen macht: die reduzierten Kontakte, das Gefühl, dass Euch die Decke auf den Kopf fällt. Auch unter Euch Jugendlichen, auch unter Euch jungen Erwachsenen, von denen die meisten annehmen, dass Ihr das alles lockerer wegsteckt, gibt es das: Ihr geratet ins Straucheln, Ihr fühlt Euch wie gelähmt. Müssen die anderen ja nicht mitbekommen, wäre ja uncool. So viel unterschiedliche Formen von Müdigkeit unter Euch allen! Die sind auf keinen gemeinsamen Nenner zu bringen:

Müde davon, dass andere über Euren Kopf weg entscheiden, ob weiter geschossen wird oder ob die Waffen schweigen, ob die Grenze geöffnet wird oder geschlossen bleibt. Müde davon, andere um Hilfe betteln zu müssen, um finanziell irgendwie über die Runden zu kommen. Müde vom fehlenden Schlaf , weil Dein Kopf weiterrattert und Dich nicht einschlafen lässt. Müde von dem Druck, der auf Dir lastet, von der Verantwortung, die Deine Entscheidungen für andere bedeuten, obwohl Du selbst keine Garantie hast, dass es die richtigen Entscheidungen sind. Müde von der Angst krank zu werden, müde von der Angst, nicht wieder gesund zu werden.

Und dann die Art von Müdigkeit, die vielleicht zahlenmäßig die größte Anzahl von Menschen unter Euch verbindet: Müde davon, abwarten zu müssen, die Ungewissheit, wie lange es noch andauert. Müde davon, in den Startlöchern zu hocken und nicht loslegen zu dürfen. Es leid sein, Dinge nicht tun zu dürfen, die Du liebend gerne in Angriff nehmen würdest.

Die auf mich harren, Euren Gott, harren, schöpfen Kraft. Ihnen wachsen Flügel. Sie schwingen sich in die Luft wie Adler.

Nicht wahr, Ihr findet das ein gewagtes Bild, das mit dem Adler. Eins das von sehr weit weg kommt.

Auch einem jungen Adler wachsen nicht von heute auf morgen Schwungfedern. Sie wachsen langsam. Aber sie wachsen. Es kommt der Tag, an dem er sich mit ihnen in die Luft schwingen wird.

„Schon wieder jemand, der uns das Abwarten predigt! Nun auch noch unser Gott.“

Hoffentlich predige ich Euch das nicht nur. Ich versuche, das für Euch zu leben. Ich, euer Gott, bin nicht Superman und will es nicht sein. Ich bin kein Gott aus der Maschine. Ich bin der Gott dieser Weltzeit. Das macht einen guten Teil meiner Stärke aus: dass ich warten kann, dass ich mich nicht geniere, Euer Bittsteller zu sein. Darin bin ich stark, dass ich einen langen Atem habe: Ich werde nicht müde und matt davon, auf Euch zu warten. Das ist mein täglich Brot: ich warte, was Ihr auf mein Bitten antwortet. Ich halte den Frieden, den ich mit Euch geschlossen habe. Täglich warte ich, dass Ihr in meinen Frieden einschlagt, dass ihr die milliardenteuren Waffen aus der Hand legt, die so vielen Menschen das Leben kosten, und dass Ihr die Waffen aus der Hand legt, die aus Worte bestehen und so tief in die Seele schneiden.

Täglich warte ich, dass Ihr Euren Stolz fahren lasst, dass Ihr Euch traut, Euch von mir helfen zu lassen. Dass ihr die Menschen nicht wegschickt, die ich zu Euch schicke, um Euch tragen zu helfen. Täglich warte ich, dass Ihr mich um Rat fragt, wenn Ihr nicht wisst, was Ihr tun und was Ihr lassen sollt. Täglich bitte ich Euch, Euch trösten zu lassen. Täglich bitte ich Euch, Eure Last auf meine Schulter zu laden.

Täglich bitte ich euch, euren Widerstand aufzugeben, mich Euren Gott sein zu lassen.

Die auf mich harren, schöpfen Kraft. Ihnen wachsen Flügel wie Adler.

Amen

26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht!  Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.

27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«?

28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.

29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden.

30 Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen;

31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

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