Ist jemand in Christus so ist er eine neue Schöpfung!

Karfreitag (10.04.2020): 2. Kor. 5,14-21

14 Denn die Liebe Christi drängt uns, zumal wir überzeugt sind, dass, wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben… (vollständiger Text siehe unten!)

 

Die Liebe Christi aber drängt uns… so beginnt der diesjährige Bibeltext für Karfreitag. Karfreitag, der Tag, an dem Jesus draußen vor den Toren der Stadt Jerusalem zu Tode gefoltert wurde, ist der Tag der Liebe. Wenn nicht Karfreitag, welcher Tag dann?

Es ist wahrlich nicht der Tag der Liebe von uns Menschen. Nicht der Tag Deiner und meiner Liebe. Es ist der Tag, am dem es drauf ankommt. Der Tag, an dem Gott uns zeigt, wie ernst es ihm damit ist, das Werk seiner Hände niemals, unter keinen Umständen, preiszugeben. Es ist der Tag, an dem Gottes Karten offen liegen – der Tag, an dem Gott offenlegt, welches Risiko er eingeht, sich in seiner Liebe zu uns so verletzlich zu zeigen.

Gott liebt seinen Kosmos. Er liebt seine Welt. Er liebt seine Menschen. Jede(r) von. uns würde sich lächerlich machen, so etwas über sich selbst zu behaupten. Einen einzigen Menschen oder einige wenige tatsächlich zu lieben – meine Frau, meine Konfirmanden, die anderen im Presbyterium, meine Freunde -, so, dass meine Liebe wirklich den anderen meint, ohne in der anderen mich selbst zu lieben, mich selbst zu suchen, ohne den anderen zu beneiden, ohne heimlich zu demonstrieren, was für ein toller Typ ich bin, damit habe ich wahrlich alle Hände voll zu tun.

Die Firmen, die zur Zeit mit Hochdruck daran arbeiten, so schnell wie möglich einen Impfstoff auf den Markt zu bringen, der vielleicht Millionen von Menschenleben retten wird, wie viel Liebe und uneigennützige Leidenschaft ist dabei im Spiel? Und welchen Einfluss hat darauf die Tatsache, dass es für die Firmen, die bei diesem Wettlauf erfolgreich sein werden, vermutlich um Milliardenumsätze gehen wird? In viele Widersprüchlichkeiten verstrickt sich unser menschliches Lieben in den Strukturen, die wir selbst geschaffen haben.

In Christus, der vor den Toren der Stadt einen schmachvollen Verbrechertod stirbt, liebt Gott seine Welt, seine Menschen, liebt er alle seine Menschen. Er liebt auch uns Frommen mit allen unseren Wunderlichkeiten, unserer Enge, mit unserer Tendenz, ihn in seiner Schmach allein zu lassen. Die, die sich ihm als Feinde entgegenstellen, die liebt er zuallererst: die, die das Todesurteil aussprechen und die, die es vollstrecken; die, die sich freuen, dass es so gekommen ist. Er liebt die, die Gott los werden wollen, die, die stolz darauf sind, sich Atheisten zu nennen.

Und mich mit meinen perversen Gedanken im Herzen, wenn ich die schnelle Verbreitung des Corona-Virus in den USA mit der (wohl vergeblichen) Hoffnung verknüpfe, dass es wenigstens Donald Trump den Job kosten könnte? Wie egal sind mir in diesen Momenten die Menschen, die in New York um ihr Leben zittern?

Christus stirbt für Menschen im Saarland und in Elsaß-Lothringen, die sich vor kurzem noch als friedliche Nachbarn bezeichnet hätten und die nach der Schließung der Grenzen Hass gegeneinander entwickeln.

Christus stirbt für die Geflüchteten Syrer, Afghanen, Iranerinnen, die in der Türkei festsitzen, die ohne Chance sind, in unserer Festung Europa Zuflucht zu finden. Er stirbt für die Ärzte und Schwestern und Pfleger, die für die Kranken und Alten ihr Leben aufs Spiel setzen. Er stirbt für die, die sich mit den jetzt knapp gewordenen Gütern versuchen, eine goldene Nase zu verdienen. In Christus liebt Gott die Menschen, die ihm vorhalten, dass er die einen und die anderen liebt und dass er an ihrer Deiner und meiner Sicherheit kratzt, auf der richtigen, der Unschulds-Seite zu stehen.

Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst. Wie kann Gott so verrückt sein, weiter auf diese eine Karte setzen? Denkt er wirklich, uns so zur Vernunft zu bringen, uns dadurch von unserer Angst, dass es für uns alleine nicht reicht, zu heilen, dass er ohne jede Absicherung einseitig in Vorleistung geht und mit Leuten Frieden schließt, die ihn bestenfalls mit den Lippen bekennen, wenn sie ihn nicht ohnehin längst abgeschrieben haben: den Gott, der die Sklaven befreit, der die Fremden liebt, der für das Recht der Armen streitet? Hat er keine Angst, als naiv blauäugig verschrien zu werden, wenn er sich in dem geschundenen Christus zu unserem Bittsteller macht: Lasst euch versöhnen mit Gott?

Traut er sich das zu, Dich und mich so und nur so von unserer Angst zu heilen? Vor unserer Angst vor der, vor dem, vor den Anderen? Dich und Mich? Uns in Deutschland? („Wir dürfen Solidarität nicht mit Haftungsvergemeinschaftung verwechseln…. Die Krise darf kein Vorwand sein, um die letzten Dämme auf dem Weg in die Haftungsunion aus dem Weg zu räumen“ war am 6.4. als Argument gegen Corona-Bonds in der Vlothoer Zeitung zu lesen.) Uns in Europa?

Ja, das traut er sich zu. Das ist sein Weg, den er eingeschlagen hat.

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Neues ist geworden. Ohne den Anderen, ohne die Andere, ohne all die Anderen, für die der Gekreuzigte gestorben ist, ohne sie ist er nicht zu haben. Für niemanden von uns. Neue Schöpfung werden: Ohne dasgeht’s nicht. Nicht Dein und mein Werk. Nichts, was wir aus uns machen. Das, was der Gekreuzigte mit uns macht.

Geht es Ihnen, geht es Euch auch so, dass Ihr Euch häufig die Frage stellt: Was soll an mir schon neu sein? Was soll es für die anderen da zu entdecken geben? Ich tauge nicht zum Helden. Christus sucht keine Heldinnen. Er sucht und er sieht in uns die, mit denen er Frieden geschlossen hat. Er kennt uns nicht mehr nach dem Fleisch. Für ihn sind wir nicht die abwechselnd Verschreckten, Zaudernden, Zweifelnden und kurz darauf schon wieder Verächtlichen, Spottenden, die, die sich obenauf fühlen. Für ihn sind wir die, mit denen er Frieden geschlossen hat.

Seine Liebe treibt uns. Sie treibt uns zu den anderen Menschen. Er fragt nicht, ob wir uns für geeignet halten. Unsere Einschätzung würde nichts ändern. Seine Wahl ist auf uns gefallen. Er will uns als seine Botschafter. Er bittet uns, an seiner Stelle zu bitten. Um das zu bitten, was wir selber so nötig haben, was er uns zum Geschenk macht: Lasst Euch versöhnen mit Gott! Karfreitag ist der Tag der Liebe. Seiner, nicht unserer Liebe, der Liebe, die nach uns greift.

Winfried Reuter

14 Denn die Liebe Christi drängt uns, zumal wir überzeugt sind, dass, wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben

15 Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.

16 Darum kennen wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch; und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr.

17 Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

18 Aber das alles von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt.

19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.

20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!

21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

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