Hannelore: Heute ist das erste Mal, so weit ich mich erinnern kann, dass wir zum ersten Advent keinen Gast von einer Missionsgesellschaft eingeladen haben.
Winfried: Ja, das geht mir genauso. All die 25 Jahre, seitdem ich hier Pastor bin, war immer eine Frau oder ein Mann da, die uns was über Mission erzählt haben.
Hannelore:Da bleibt uns wohl nichts andres übrig. Heute müssen wir das selber machen.
Winfried: Genau, wir versuchen das.
Hannelore: Das Wort Mission bedeutet Sendung. Gott sendet Menschen. Gott schickt Menschen los. Gott will, dass alle Menschen ihn kennenlernen.
Winfried: Jeder Mensch hat das Recht zu erfahren, dass Gott ihn liebt. Jeder Junge, jedes Mädchen, jeder Mann, jede Frau hat das Recht, zu erfahren, dass er, dass sie Gott kostbar ist.
Hannelore: Und deshalb lautet das Motto für diesen Gottesdienst: Hier bin ich. Schick mich! Im Prophetenbuch Jesaja steht, dass Gott in einer sehr schwierigen Zeit in Israel gefragt hat: Wen sollen wir senden? Und da hat Jesaja geantwortet: Hier bin ich. Schick mich!
Winfried: Ja, darauf hofft Gott, dass wir uns von ihm schicken lassen. Für Gott ist jeder von uns eine Missionarin oder ein Missionar.
Hannelore: Sag mal, Du willst uns doch jetzt nicht allen Ernstes mit Jesaja, mit Jeremia, mit Petrus, mit Paulus, oder was weiß ich noch mit wem alles vergleichen? Am Ende sogar noch mit Mose, den Gott zum mächtigen Pharao schickt?
Winfried: Ich weiß nicht, ob Gott Dich und mich oder jemand von den anderen hier gerade zu Donald Trump, zu Putin oder zu Präsident Assad in Syrien schickt. Aber Gott schickt uns ganz bestimmt.
Er schickt uns zu Menschen, die wir schon kennen: im Kindergarten, in der Schule, auf der Arbeit, in der Familie, in unserer Gemeinde. Aber auch zu Menschen, die wir bisher noch gar nicht kennen.
Hannelore: Aber jemand, den Gott zu anderen Menschen schickt, der muss doch ganz bestimmte Fähigkeiten haben. Winfried: Was für welche denn?
Hannelore: Er oder sie muss gut reden können. Sie oder er muss sich richtig gut in der Bibel auskennen. Glaubwürdig muss sie sein, ein gutes Herz muss er haben.
Winfried: Dann denk doch nur mal daran, was Mose für ein Mensch war! Er hat einen ägyptischen Aufseher erschlagen, er wollte nicht zum Pharao gehen, weil er überhaupt nicht reden kann.Jeremia hat gesagt: Ich bin viel zu jung, schick bloß jemand andres. Und Petrus und Andreas und all die anderen? Das waren einfache Fischer vom See Genezareth, von denen war niemand auf einer Bibelschule, niemand von denen hat Theologie studiert.
Hannelore: Brauchten sie auch nicht, sie hatten ja Jesus als Lehrer.
Winfried: Erstens haben wir Jesus auch als unseren Lehrer. Und außerdem: Manchmal ist Jesus an seinen Schülern ganz schön verzeifelt: wenn sie sich gestritten haben, wer der Größte ist, wenn sie im Sturm auf dem See so eine Angst hatten, wenn sie aus Angst, auch verhaftet zu werden, weggelaufen sind, wenn Petrus Jesus verleugnet hat.
Und denk mal an Paulus, der hat die Christen verfolgt. Und Jesus hat sich ihm in den Weg gestellt und hat zu ihm gesagt: Du, Saulus, sollst ab jetzt anderen Menschen von mir erzählen. Mit was für einer Ausrede sollen wir denn da kommen?
Hannelore: Mag sein, aber ich bleib dabei.Ich tauge nicht zur Missionarin. Ich bin nur für die praktischen Dinge zu gebrauchen: Ich backe Kuchen für die Geburtstagsfeiern der über 70-jährigen. Ich bin bereit, dafür zu kämpfen, dass uns unsre schöne Kirche erhalten bleibt.
Und ich besuche Menschen: in der Familie, wenn ich spüre, dass sie mich nötig haben, aber auch in der Gemeinde, zu den Geburtstagen, oder wenn ich den Gemeindebrief verteile. Ich unterhalte mich mit den Leuten. Das mache ich gerne.
Winfried: Also, wenn Jesus seinen Schülern die schmutzigen, stinkenden Füße wäscht, dann tut er etwas sehr Praktisches für sie. Ich glaube, dass die praktischen Sachen, sehr, sehr wichtig sind, wenn Gott Dich zu anderen Menschen schickt.
Und genauso wichtig ist es, Dir als Mensch, der von Gott geschickt wird, von anderen Menschen in ganz praktischen Dingen helfen zu lassen.
Es kann auch schon sehr wichtig sein, einfach nur da zu sein. Jesus ist doch ganz bestimmt Gottes Missionar, den er zu uns Menschen schickt. Und seine Sendung beginnt damit, dass er als kleines neugeborenes Kind nichts anderes tut, als in der Krippe zu liegen, sich von seiner Mutter stillen zu lassen. Und ansonsten einfach nur da zu sein. Wenn ich zum unserem Kindergottesdienst gehe, um am Anfang mit den Kinder zu singen, dann machen die Kinder im Grunde auch nichts anderes, als einfach da zu sein. Sie singen, sie klettern bei „Gottes Liebe ist so wunderbar“ auf die Stühle, um die passenden Bewegungen zu machen. Und an der richtigen Stelle springen sie runter und tauchen tief auf auf die Erde, um deutlich zu machen, dass nichts tiefer als Gottes Liebe ist. Aber so viel ist sicher. Während die Kinder einfach da sind und singen, sind sie für mich Gottes Missionare und Missionarinnen. Sie geben mir Kraft für das, was ich am Rest dieses Tages zu tun habe.
Und dann, Du hast das gerade selbst gesagt: Du machst nicht nur rein praktische Dinge. Du gehst zu Menschen hin und Du unterhältst Dich gerne mit ihnen.
Hannelore: Aber ich würde ganz bestimmt nicht zu einem Menschen hingehen und zu ihm sagen: Du musst glauben, Du musst glauben, Du musst nur glauben, dann ist alles in Ordnung. Schon gar nicht, wenn dieser Mensch sehr krank oder verzweifelt ist. Aber auch sonst würde ich das nicht tun. Ich hab doch selbst keinen starken Glauben. Ich frag mich oft genug, ob mein Glaube überhaupt ausreicht.
Winfried: Ja, das sehe ich ganz ähnlich. Niemand hat das Recht, einem anderen zu sagen: Du musst glauben. Ich kann nur darum bitten, dass Gott mir so viel Glauben schenkt, wie er denkt, dass ich jetzt nötig habe. Nur, ich glaube, dass, was Du tust, und dass, was Du glaubst, da gibt es einen engen Zusammenhang. Und wenn die anderen dann fragen, warum machst Du dass? Dann haben Sie ein Recht darauf, dass Du wenigstens versuchst, das in halbwegs veständliche Worte zu fassen. Wenn Du dabei ins Stottern kommst, oder zwischendurch nicht weiter weißt, das ist überhaupt nicht schlimm. Es kommt nicht darauf an, wie gut oder schlecht Du als Gottes Missionar formulieren kannst.
Wenn Du regelmäßig einen Menschen besuchst, wo Du damit rechnen musst, dass er in absehbarer Zeit sterben wird, und Leute sagen zu Dir: Warum tust Du Dir das bloß an? So was zieht Dich doch nur runter. Du musst mal an Dich denken und Dir selbst was Gutes tun. Oder wenn jemand zu Dir Dinge gesagt hat, über die Du Dich sehr geärgert hast, und Du bestehst darauf, mit ihm darüber zu reden, anstatt Dir denn Mund über ihn zu zerreißen. Und die Leute sagen zu Dir: Was gibst Du Dich bloß mit so einem Typ ab, der kann Dir doch schnurzpiepegal sein.
Wirst Du dann nicht daran denken, dass Jesus uns die Erlaubnis gegeben hat, auch unsere Feinde zu lieben? Wirst Du nicht daran denken, dass Paulus Christi Gebot so zusammengefasst hat: Einer trage des anderen Last. Und dass derselbe Paulus geschrieben hat. Und wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Hast Du nicht oft genug die Erfahrung gemacht, dass das die Wahrheit ist. War das nicht schon oft so, dass andere sagen: Du verlierst Dein Leben, Du vergeudest Deine Zeit. Und Du weißt, es ist genau umgekehrt, wenn ich das tue, was Jesus sagt, dann gewinne ich mein Leben.
Und wirst Du dann nicht vesuchen, Dich den Menschen, die Dir solche Fragen stellen, so gut Du das vermagst, verständlich zu machen.
Mag sein, Du erntest damit weiterhin nur Kopfschütteln und Unverständnis. Mag sein, Deine Worte kommen Dir einmal mehr wie hilfloses Gestammel vor. Aber mag auch sein, der andere, die andere entdeckt gerade so in Dir einen Menschen, den ihm Gott geschickt hat.
Gott alllein hat die Macht, sich dem anderen verständlich zu machen. Aber es gefällt ihm, er hat Lust daran, Dein und mein Gestammel zu gebrauchen, dass sein Wort nicht leer zu ihm zurückkommt.
Amen