Predigt vom 2. Advent 2013

                                                                             Offenbarung 3,7-13

Liebe Gemeinde!

Siehe, ich habe vor Dich eine offene Tür gegeben, die niemand zuschließen kann. Immer wieder bleibe ich an diesen tröstlichen, beflügelnden Worten hängen. Niemand kann diese Tür zuschließen, wenn Jesus sie offen hält. Niemand! Niemand von denen, die Dir übel wollen, niemand von denen, die mit Gott und Kirche nichts zu tun haben wollen. Aber auch kein Superintendent, keine Landeskirchenräte können das. Keine Nachbargemeinde kann diese Tür zuschließen, keine von denen, die Dich argwöhnisch, misstrauisch, neidisch beobachtet, aber auch keine von denen, die Dich nicht so recht ernst nimmt, sondern nur mitleidig auf Dich herabsieht, weil sie sich Dir nicht nur zahlenmäßig, sondern auch geistlich überlegen glaubt.

Auch Du selbst kannst diese offene Tür nicht zuschließen: nicht mit Deinen Anwandlungen, Dich selbst zu zerfleischen, nicht mit Deinem Hang, Dich selbst schlecht zu reden, nicht mit Deinem zänkischen Wesen, nicht mal dadurch, dass Ihr nicht davon lassen könnt, hinter dem Rücken übereinander zu reden.

Niemand kann diese Tür zuschließen. Niemand kann Euch daran hindern, durch sie hindurchzugehen, wenn ich, Jesus, sie vor Euch offen halte. Nichts von dem, was ihr tut, bleibt vergebliche Liebesmühe. Nichts von dem, was ihr anpackt, kann auf Dauer ohne irgendwelche Frucht bleiben.

Das wünsche ich mir sehr, dass wir das auch auf unsere eigene Gemeinde beziehen dürfen. Das wünsche ich mir sehr, dass Johannes auf seiner Verbannungsinsel das nicht nur für den Gemeindeengel der Christen und Christinnen in der Stadt mit dem schönen Namen „Philadelphia“, „Bruderliebe“ aufgeschrieben hat, sondern auch für den Engel unserer Ref. St. Johannis Gemeinde. Ich, Jesus, der die Schlüsselgewalt über das Reich der Toten hat, ich kenne Deine Werke. Ich nehme alles wahr, was Du tust und was Du lässt. Mich beschäftigt Dein Tun und Dein Lassen, die Gedanken, die Du Dir machst, die Zeit, die das in Anspruch nimmt, für mich ist das von Gewicht.

Ich, Jesus, nehme wahr, was Dir misslingt. Ich nehme wahr, worin Ihr Euch verrennt, worin Ihr Euch uneins bleibt, Ich weiß, wovor Ihr Angst habt, es loszulassen. Ich weiß, wovor Ihr Angst habt, es anzupacken. Ich weiß, worüber Ihr Euch zersorgt. Ich kenne Eure Werke. Siehe, ich habe vor Euch eine offene Türe gegeben und niemand kann sie zuschließen.

Du hast eine kleine Kraft. Das Deine Kraft klein ist, das ist keine Frage wie viele oder wie wenige Ihr seid. Ich weiß, dass Ihr Euch wünscht, stärker, mächtiger, einflussreicher zu sein. Ihr träumt davon, andere beeindrucken zu können. Ihr schämt Euch Eurer Zweifel. Ihr wünscht Euch einen starken, festen Glauben, an dem andere sich aufrichten können.

Ihr habt eine kleine Kraft. Eure Kraft ist nicht zu klein. Sie ist groß genug. Es ist weniger wichtig, wie groß Eure Kraft ist. Wichtiger ist, was Ihr mit Eurer Kraft macht. Wichtiger ist, wofür und wie Ihr Eure Kraft einsetzt. Wichtiger ist, dass Ihr die kleine Kraft, die Euch zur Verfügung steht, dazu benutzt, dass Ihr Euch an mein Wort festklammert, dass Ihr mich auf das behaftet, was ich Euch versprochen habe, dass Ihr meinem Wort mehr zutraut als Euren Zweifeln. Wichtiger ist, dass Du meinen Namen nicht verleugnet hast. Wichtiger ist, dass Du nicht vergessen hast, was er bedeutet: Retter. Es ist nicht die Größe Deiner Kraft, die es Dir ermöglich hat, auszuhalten und einen Schritt nach dem anderen weiterzugehen: Ich bin es, der Dich rettet.

Ich weiß nicht, an welche Menschen in Philadelphia Jesus gedacht hat, die sich selbst als Juden ausgeben ohne in Wahrheit Juden zu sein, und die er deshalb Synagoge, also Versammlung des Satans nennt. Mit unseren jüdischen Geschwistern in Herford, Bielefeld und Minden haben sie gewisslich nichts zu tun.

Bezeichnend finde ich das Kriterium, durch das Jesus die Feinde seiner Gemeinde dazu bringt, vor ihr auf die Knie zu gehen. Es hat nichts, gar nichts, mit der äußeren Gestalt und Größe seiner Gemeinde zu tun. Es hat nichts mit ihren eindrucksvollen Aktivitäten und der Fülle ihrer Veranstaltungen zu tun. Es gibt nur eine Sache, die die Feinde der Gemeinde Jesu dazu bringt, ihre feindselige Haltung aufzugeben:

Es ist die Entdeckung, dass Jesus seine Gemeinde, seine auf den ersten Blick so unscheinbare, so kümmerliche und nicht selten verzagte Gemeinde liebt, mit all den seelischen und geistigen und körperlichen Kräften, die ihm zur Verfügung stehen. Es ist die Entdeckung unseres Geliebtseins, die uns in den Augen von anderen attraktiv und anziehend macht, es ist die Entdeckung, dass wir von Jesus geliebte Wesen sind, die unsere Schönheit ausmacht.

Viel klarer als uns selbst steht Jesus vor Augen, was noch alles auf uns zukommt, welche Dinge und Menschen uns herausfordern können, welche Dinge und Menschen uns anfechten, uns von einer Verlegenheit in die andere bringen, uns sprachlos machen, so dass wir nicht wissen werden, was wir antworten sollen, nicht nur in den Ländern, die seit langem dafür bekannt sind, dass in ihnen Christen und Christinnen verfolgt werden, wie Ägypten, Indonesien, China, Nordkorea, auch hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, weil sich auch in unserem Land für immer mehr Menschen nichts am Glauben mehr von selbst versteht.

Jesus hat das viel klarer als wir vor Augen. Aber das ist sein Wunsch, dass wir dem nicht verschreckt und verschüchtert, gebeugt und in uns verkrümmt, sondern mit klarem Blick, erhobenen Hauptes entgegensehen. Und so lautet sein Versprechen, dass er uns mit auf den Weg gibt: Weil ihr mein Wort der Geduld bewahrt habt, weil ihr darunter geblieben sein, weil ihr Euch an mein Wort geklammert habt, deshalb will auch ich Euch bewahren, will Euch festhalten und nicht loslassen in der Stunde der Versuchung, die auf alle Menschen zukommt, die auf dieser Erde leben.

Es könnte gut sein, dass wir uns jetzt gegenseitig verwundert ansehen und zurückfragen: Bist Du Dir sicher, Jesus, dass Du uns nicht mit anderen verwechselst? Wann hast Du uns denn so erlebt? Wann sind wir denn ruhig und gelassen geblieben? Wann sind wir denn nicht wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen herumgelaufen? Wann haben wir denn mit unserem Herzen, mit allen unseren Sinnen und unserem Verstand an Deinen Worten geklebt?

Vielleicht wird Jesus uns dann so antworten:

Als Du in Deiner Not nicht aus noch ein wusstest und flehentlich um laut um Hilfe geschrien hast. Als Du jahrelang immer wieder, unermüdlich um die eine selbe Sache gebetet hast. Als Du auf der Arbeit in der Kantine möglichst unauffällig zu beten versucht hast, weil Du Dich mit Deinem Gebet nicht zur Schau stellen wolltest, Deine Kollegin es trotzdem bemerkt und Dich darauf angesprochen hat und Du etwas gestottert hast von wegen, dass das in Deutschland glücklicherweise doch noch nicht verboten ist. Als Dein Geburtstagsbesuch zwischen Euren Zeitungen den Gemeindebrief entdeckt hat und Du genötigt warst zu erklären, warum Du denn noch immer in der Kirche bist und Du Dich hinterher geschämt hast, dass Du Dir dabei so einen abgebrochen hast. Als Du Dich getraut hast, der Frau, die früher einige Jahre in Eurer Gemeinde im Presbyterium war, von Deinen Zweifeln erzählt hast und Sie Dir, bevor Ihr Euch verabschiedet hat, versprochen hat, regelmäßig für Dich zu beten.

Ich komme bald, sagt Jesus, halte, was Du hast, damit Dir niemand Deine Krone wegnehme. Ich komme bald, sagt Jesus, woh.wissend, dass

seine Wahrnehmung unserer Tage, Wochen Monate und Jahre eine andere ist als unsere. Weiß er nicht, dass für uns schon ein Monat, ein Jahr sich zu einer halben Ewigkeit dehnen kann? Ist er sich darüber klar, dass das Wörtchen „bald“ bei uns nicht nur Vorfreude, sondern auch die Unsicherheit auslöst, ob wir für sein neuerliches Kommen innerlich und äußerlich bereit seid. Weiß er darüber Bescheid, wie sehr wir an dem Alten hängen, wie stark wir allem Elend unserer Welt zum Trotz in den alten Himmel und die alte Erde verliebt sind, dass wir Angst haben, das Alte loszulassen, weil es uns so vertraut ist, weil es für uns schon eine unermessliche Schönheit besitzt? Wie sollte ausgerechnet Jesus, wie sollte ausgerechnet unser Herr nicht darum wissen?

Halte, was Du hast? Was hast Du, was habe ich, was wir halten können, was uns nicht zwischen den Fingern zerrinnt? Wusstest Du, der Du so gar nichts von Heiligenscheinen hält, weder bei anderen geschweige denn bei Dir selbst, dass Du ein gekröntes Haupt bist? Magst Du über Dich die Worte hören, die wir bei jeder Abendmahlsfeier sprechen, dass Gott Dich mit Gnade und Barmherzigkeit krönt, dass er nicht mit Dir nach Deiner Schuld handelt, dass er Dir nicht die Worte vorrechnet, die Du nicht mehr zurücknehmen kannst und ebenso wenig die Worte, die Du gerne gesagt hättest, aber nicht über die Lippen gebracht hast.

Ist Dir das zu unbegreiflich, zu einfach, zu schön, um wahr zu sein? Bist Du zu stolz, um Gottes Gnade und Barmherzigkeit anzunehmen und damit zuzugeben, dass Du ohne sie nicht leben kannst? Bist Du zu stolz, um Dich einfach nur über Deine Krone aus Gnade und Barmherzigkeit zu freuen, sie ungeniert in aller Öffentlichkeit zu tragen? Gibt es wirklich noch irgend jemand anderen als Dich und mich selbst, der uns um unsere Krone aus Gnade und Barmherzigkeit bringen kann? Ist Gott für uns, was können uns andere Menschen tun. Ist Gott für uns, wie können wir einem anderen Menschen auf Dauer feind bleiben?

Jesus preist den selig, der überwindet, der standhält, der seinem eigenen trotzigen und stolzen Herzen entgegentritt, der für sich nicht das Hohe, sondern die Niedrigkeit sucht, der aus dem Gefängnis des anderen Gefallen wollens ausbricht. Die, die für sich die Niedrigkeit sucht und aus dem Gefängnis des anderen-Gefallen-wollens ausbricht, wird Jesus zu einem Stützpfeiler in Gottes Tempel machen, an dem Ort, an dem Gott seinen Namen wohnen lässt. Wer überwindet, trägt dazu bei, dass es Gott unter uns wohnlicher hat. Er, sie selbst wird an dem Ort bleiben, an dem Gott wohnt. Auf ihn wird Jesus den Namen seines Gottes schreiben und den Namen der Stadt, die Zukunft hat, das himmlische Jerusalem, die Stadt mit den offenen Toren, in der die Menschen aller Nationen ungehindert ein und ausgehen, die Stadt, die nach einem Ort unter uns sucht, dort wo bisher noch kein Raum für ist.

Auf den, der überwindet, schreibt Jesus seinen eigenen neuen Namen, der da lautet: Siehe, ich komme und mache alles neu. Wie sollen wir unser stolzes und trotziges Herz überwinden, wen wir nicht von dem überwunden werden, der für uns den Tod überwunden hat. Herr, Jesus, tu Du an uns Dein Erneuerungswerk, komm, und tue es bald.

Amen

 

Kalimba

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