Predigt vom 10.8.2014

Liebe Gemeinde!
Wenn Du ein Sklave, eine Sklavin für Gott bist, dann bist Du frei. Mit jedem Schritt, den Du tust, bewegst Du Dich auf das Leben zu. Du erntest Lebensfrüchte. So mein Versuch, die Worte unseres Predigttextes möglichst knapp auf den Punkt zu bringen. Nicht wahr, das ist provozierend, wie Paulus das formuliert hat und davon kannst Du ausgehen, dass er das mit  Absicht so provozierend formuliert hat. Damit wir ins stolpern kommen, damit wir nicht wie gehabt im gewohnten Trott schnurstracks weiter laufen, damit wir nicht darüber hinweg lesen und seine Worte einfach zum Aufhänger nehmen können, um an unseren gewohnten Gedanken festzuhalten, damit unsere grauen Zellen in Gang kommen und wir anfangen zu überlegen: Ob doch etwas dran ist an dem, was Paulus schreibt?

Ein Sklave, eine Sklavin sein, das ist der Inbegriff von Unfreiheit, oder nicht? „Bin ich vielleicht euer Dienstmädchen?“ fragst Du frage ich empört. Wie soll sich bitte schön „Sklavin-sein“ auf „frei sein“ reimen? Was verstehst Du unter Freiheit? Wann bist Du frei?
Wenn Du in einer glücklichen Beziehung lebst? Wenn Du gesund bist?
Wenn Du keine Schulden bei der Bank oder bei Freunden hast? Wenn Du an der Spitze der Leiter angekommen bist und Dir niemand mehr Vorschriften machen kann? Gibt es dass, muss nicht selbst Lionel Messi auf das hören, was sein Trainer ihm sagt? Bist Du frei, wenn Du über die Anzahl Deiner Urlaubstage im Jahr selbst entscheidest, wenn es keine Frage des Geldes ist, wohin Du in Urlaub fährst und wie lange Du bleibst? Bist Du frei, wenn niemand Dich kritisiert, wenn alle Dir zu Füßen liegen? Bist Du frei, wenn niemand Dir vorschreibt, wann Du ins Bett zu gehen hast und wann Du aufstehst sollst? Bist Du frei, wenn Du jedem Streit aus dem Weg gehst?
Paulus sagt: Es gibt nur zwei Alternativen. Es gibt keine tausend Möglichkeiten, frei zu sein. Es gibt noch nicht mal drei Alternativen, zwischen denen Du wählen könntest, es gibt nur diese zwei:
Entweder Du bist Gottes Sklave oder Du bist ein Sklave der Sünde. Wenn Du das nicht willst, wenn Du Dich dagegen sträubst, wenn Dir das zuwider ist, Gottes Sklavin zu sein, wer sollte Dich dazu zwingen. Gott ist der allerletzte, der Dich dazu zwingen wird. Gott hat Null Interesse an Menschen, die nur gezwungenermaßen gemeinsame Sache mit ihm machen. Abraham, Mose, Ruth, Maria, Petrus, Paulus sie sind alle aus freien Stücken mitgekommen. Oder sollten wir lieber sagen: Sie haben sich ohne irgendwelche Bedingungen zu stellen in den Dienst dieses Gottes begeben, oder sollten wir lieber sagen: sie hatten nichts, was sie der Überzeugungskraft Gottes entgegensetzen sollten, Gottes Überzeugungskraft war zu stark für sie.
Aber wie gesagt: Gott zwingt uns nicht. Er fällt uns nicht in den Arm, wenn Du und ich es anders halten, wenn wir uns partout weigern, Sklaven und Sklavinnen Gottes und damit Sklaven und Sklavinnen der Gerechtigkeit zu sein, dann haben wir uns schon für die zweite Alternative entschieden: dann sind wir Sklaven und Sklavinnen der Sünde, ob uns das passt oder nicht, ob wir das glauben oder nicht. Dann haben wir uns den Tod schon ins Haus geholt, mitten hinein in unser tägliches Leben, schon bevor wir unseren letzten Atemzug tun, schon bevor unser Herz stehen bleibt und unsere Gehirnströme zum Erliegen kommen.
Ach wenn es beim Sünder-Sein bloß um etwas so harmloses und albernes ginge wie ein, zwei oder meinetwegen auch drei Stücke Sahnetorte mehr oder weniger. Sündigen ist alles andere als harmlos. Wenn wir sündigen, Du und ich treibe wir Raubbau an unseren Lebenskräften. Eine Sklavin, ein Sklave der Sünde sein, das hat erst mal herzlich wenig damit zu tun, ob andere Dein Verhalten moralisch oder unmoralisch finden. Sündigen oder nicht, das ist im Kern keine Frage der Moral, wenigstens nicht, was den Ausgangspunkt betrifft.
Sündigen, das ist alles, was ich aus der Angst, aus dem Gefühl, aus den Gedanken heraus tue, dass es nicht reicht, dass es für mich nicht reicht, dass es für mich alleine nicht reicht, dass ich zu kurz komme, dass ich nicht auf meine Kosten komme oder wie immer Du das ausdrücken willst.
Sünde, das ist die Angst, übersehen zu werden, die Sorge, dass die anderen Dir nicht den nötigen Respekt entgegen bringen. Sünde, das ist die Angst davor, Fehler zu machen, die Sorge, darum, dass die anderen Deine Fehler mitbekommen und was sie dann wohl über Dich denken werden, wenn Du den schönen Schein nicht aufrechterhalten kannst.
Sünde, das ist die Angs: t, von Deiner Frau, von Deinem Mann nicht genug geliebt zu werden. Es ist die nur zu verständliche Angst Deinen Arbeitsplatz zu verlieren, an eine jüngere Person, an jemanden, der besser qualifiziert ist als Du oder einfach, weil die leitenden Angestellt in Deinem Betrieb die nächste Stufe der technischen Entwicklung verpasst haben.
Sünde, das ist der Zweifel, dass die Gaben, die Gott gerade Dir anvertraut hat, gute, wunderbare Gaben sind. Das ist Deine Unzufriedenheit, Deine neidischen Gedanken: warum hat er andere so reichlich mit den Gaben ausgestattet, von denen ich immer geträumt habe, und mir dieselben vorenthalten?
Sünde, das ist die Panik, uns nicht verwirklichen, unsere Möglichkeiten nicht voll ausreizen zu können, weil die Umstände es nicht erlauben, weil Deine Lebenszeit viel zu kurz ist, um all das umzusetzen, was Du Dir vorgenommen hast.
Sünde, das ist Deine Sorge, das Wichtigste im Leben zu verpassen, die Sorge, dass die Musik immer woanders spielt, und Du bist nicht dabei. Sünde ist alles in Deinem Tun, was dazu beiträgt, dass die Mauer zwischen Dir und den anderen Menschen wächst. Sünde ist das, womit Du Dich einkapselst, Deine ausgefahrenen Stacheln, das,, womit Du es den anderen schwer machst, einen Zugang zu Dir zu finden, zu Deinen Gedanken, zu Deinen Gefühlen, zu Deinem Herz.
Sünde, das ist Deine Angst vor den anderen, vor dem, was Dich an Ihnen befremdet, was Du nicht verstehen, was Du in Dein eigenes System nicht einordnen kannst. Und es ist auch Deine Sorge wegen dem, worin Du glaubst, dass sie Dir überlegen sind. Sünde ist, dass Du überhaupt solche Schubladen angelegt hast, in denen die einen den anderen überlegen sind.
Sünde ist das, womit Du Dich selbst einsam machst. Sünde ist kein moralischer Defekt. Sünde ist nichts, was sich mit ein bisschen Willensanstrengung abschütteln lässt. Du könntest sie etwas zutiefst Menschliches nennen, etwas was uns allen nur zu verständlich und vertraut ist. Nur bist Du der Sünde dann schon auf den Leim gegangen, weil Du sie wie etwas Unabänderliches behandelst, wie etwas, gegen das kein Kraut gewachsen ist.
Nur bist Du dann schon im Begriff, Deinen Gott Lügen zu strafen, Dich ihm in den Weg zu stellen, ihm, der die Sünde hasst. Dein Gott hasst die Sünde von Herzen weil er sieht, dass sie Dein Leben zerstört, dass sie den Tod in Dein Leben bringt. Das kann er nicht, das bringt er einfach nicht fertig, dass er Dir dabei tatenlos zusieht.
Du und ich, wir kommen mit unseren Kräften gegen die Macht der Sünde nicht an. Wir stecken unter ihrer Fuchtel und merken es oft nicht. Wir dienen ihr. Wir machen uns zu ihren Sklaven und Sklavinnen.
Es gibt nur die eine Alternative: Entweder ich bin ein Sklave der Sünde, ein Sklave meiner Sorge um mich selbst. Oder ich bin Gottes Sklave, eine Sklavin seiner Gerechtigkeit, ein Sklave von Gottes Sehnsucht nach Gemeinschaft mit uns Menschen, eine Sklavin, von Gottes Sehnsucht, unsere Trennungen zu überwinden, seiner Sehnsucht, unsere selbstgemachten Einsamkeiten zu überwinden und uns zusammen zu bringen.
Gottes Sklavin, eine Sklavin seiner Sehnsucht nach Gemeinschaft mit uns zu sein, dass bedeutet, frei zu werden, mir von Gott dienen zu lassen, dass bedeutet, mir von ihm die Augen öffnen zu lassen, dass wir einen Gott haben, der sich selbst für uns zum Knecht gemacht hat, einen Gott, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, weil ihm die Schreie seiner in Ägypten versklavten Kinder in den Ohren gegellt haben und er ihre Sache zu seine Sache gemacht und dabei ihn Kauf genommen hat, sich die Hände schmutzig zu machen.
Sklave Gottes sein, bedeutet frei werden, sich von dem Gott dienen zu lassen, der alle Sorge um sich selbst hat sausen lassen, der zittert, wenn wir zittern, der mit uns wacht, wenn wir keinen Schlaf finden.
Es bedeutet frei werden für den Gott, der nicht bei sich bleibt, der sich auf den Weg zu den ihm Fremdenuns macht, der sich nicht durch das abwimmeln lässt, was ihn zutiefst an uns befremdet. Es bedeutet frei werden für den Gott, der uns dient, der für seinen eingeborenen Sohn die Niedrigkeit wählt, die Unscheinbarkeit, der es riskiert, auf diesem Weg verkannt, verwechselt, als naiv belächelt zu werden.
Es bedeutet, sich von dem dienen zu lassen, der um unseretwillen für sich die Schwachheit gewählt hat, den Spott und die Schmerzen, um uns stark, um uns reich zu machen, reich an Vergebung. Es bedeutet, sich von dem dienen zu lassen, dessen Sohn alle Sorge sein Leben zu verpassen, hat fahren zu lassen und sein Leben um unseretwillen hher geschenkt hat, der vor seiner Todesangst nicht geflüchtet ist, sondern sie für uns durchgestanden hat, damit wir leben können, damit der Tod keine Macht mehr an uns hat.
Herr mache uns frei, dass wir uns trauen, uns von Dir ganz in Beschlag nehmen zu lassen. Mach Du uns frei, uns von Dir dienen zu lassen.
Amen

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