Predigt Heiligabend 2022, Christvesper Lukas 2,1-20

vollständiger Bibeltext am Schluss der Predigt

Liebe Gemeinde!

Das ist der Grund, warum Sie, Ihr und ich heute hier sind: diese Geschichte:                      sie aufs Neue zu hören und sie dabei neu zu hören,

sie an uns ranzulassen, uns von Gott sagen zu lassen,                                                                   dass hier der Quell aller Weihnachtsfreude liegt.

Dieser Geschichte unser Vertrauen zu schenken,                                                                        uns von Gott die Erlaubnis geben lassen,                                                                                       sie in unser Herz, in unseren Verstand, in unser Fühlen zu lassen,                                          ihr glauben, dass der Engel die Wahrheit sagt, dass das Kind geboren ist,                           dass Gott sich Raum bei uns schafft, gerade dort, wo wir ihm keinen Raum lassen,            wo wir keinen Raum für ihn vorgesehen haben.

Das hat uns angetrieben, ob wir uns darüber bewusst waren oder nicht,                                bei all unseren Vorbereitungen, unserer Geschäftigkeit, unserer Gereiztheit,                         in den Momenten, in denen wir uns inmitten allen Trubels                                                          einsam und allein gefühlt haben.

Diese Geschichte hat uns hergebracht, nun sind wir hier,                                                        nun ist es an unserem Gott, seine Worte für uns sprechend zu machen.                                    Ich bitte ihn von Herzen, dass er es tut.

Diese Geschichte passiert nicht im luftleeren Raum, sie geschieht auf unserer,                    sie geschieht auf Gottes Erde, sie hat den gesamten Erdkreis im Blick,                                   sie richtet unseren Blick aufs jüdische Land.

Der Kaiser Augustus in Rom befiehlt, er hat die Macht dazu.                                                     Er will wissen, wie viele Menschen in seinem Herrschaftsgebiet leben,                                  wie viel Geld sich da möglicherweise rauspressen lässt.

Der, wie wir so leichthin sagen,mächtigste Mann der Welt befiehlt.                                      Und Millionen von Menschen setzen sich auf seinen Befehl hin in Bewegung.

Und doch ist es nicht der Kaiser in Rom, der in dieser Geschichte den Ton angibt.

Auch Josef aus Nazareth in Galiläa aus dem Norden Israels macht sich auf den Weg.

Er muss nach Bethlehem, das ganz im Süden des Landes nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Jerusalem entfernt im jüdäischen Bergland liegt.

Weil Josef von David abstammt, der, bevor er König wurde,

als Hirtenjunge auf die Schafe seines Vaters Isai aufgepasst hat.

Josef geht mit Maria, seiner Verlobten,

um sich in Bethlehem in die Listen eintragen zu lassen. Maria ist schwanger.

Der Weg zu Fuß ist weit und beschwerlich, weit über 100km bergauf, bergab

am Ende fast nur noch bergauf. Ein gefährlicher Weg für eine Schwangere.

Als sie in Bethlehem ankommen, sind die Tage von Marias Schwangerschaft voll.

Das Kind kann nicht länger warten.

In Bethlehem wartet auf Maria kein mit Hightech ausgerüsteter Kreißsaal.

Das wäre ja noch zu verschmerzen, aber da ist auch keine vertraute,

familiäre Umgebung, kein intimer, geschützter Rückzugsort.

Für so etwas ist kein Raum in der Unterkunft. Wie bei Frauen auf der Flucht,

wie bei Menschen, die kein festes Dach über dem Kopf haben,

muss Maria ihren erstgeborenen Sohn an einem Ort zur Welt bringen,

der dafür nicht vorgesehen ist, wohl in einer Felsenhöhle,

dort, wo zu anderen Zeiten im Jahr Tiere untergebracht sind.

Da ist auch keine Hebamme, die ihr fachfraulich zur Seite steht,

die bei einer möglichen Komplikation erkennt, was zu tun ist,

die einen gerissen Damm zu verbinden weiß, die die Nabelschnur abtrennt.

Es ist Maria selbst, die ihr Kind wickelt und es an den einzigen Ort legt,

der ihr zur Verfügung steht, eine Krippe, aus der sonst die Tiere fressen.

So ungeschützt, so hilfsbedürftig, so gefährdet kommt das Kind zur Welt,

in Bethlehem, im Haus des Brotes, in einem Futtertrog,

das Kind, das später über sich selbst sagen wird: Ich bin das Brot des Lebens,

das sich selbst mit Haut und Haaren, an uns verschenkt,

sich zu unserer Nahrung macht, und uns Lebenskraft wird.

Dieses Kind kommt dort zur Welt, wo kein Raum,                                                                       wo kein Platz für es vorgesehen ist,

weil Gott es so will, weil er genauso so

in diesem hilfsbedürftigen Kind unter uns Wohnung nehmen will.

Nicht weit weg von dem Ort, wo das Kind geboren wird,

waren Hirten in derselben Nacht.

Menschen, die daran gewöhnt sind,

die Nacht unter freiem Himmel

bei ihren Tieren zu verbringen.

Einfache, arme Menschen,

keine reichen Händler, keine Großgrundbesitzer.

Es kommt nicht von ungefähr,

wovon so viele unserer Krippenspiele erzählen,

dass die Hirten und Hirtinnen nicht den besten Ruf hatten, dass viele unter ihnen für ihren Lebensunterhalt auch gestohlen haben.

Vergessen wollen wir darüber nicht,

dass nicht nur David, sondern auch Mose sein berufliches Leben als Hirte angefangen hat,

dass Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob, Lea und Rachel Hirten und Hirtinnen waren,

dass Davids bekanntester Gebet das,

was Gott für uns tut, als Arbeit und Tun eines Hirten formuliert,

dass Jesus sich unseren guten Hirten nennt,

der bereit ist, für seine Schafe

sein Leben aufs Spiel zu setzen.

Dass es demgegenüber ein Adolf Hitler war,

der abschätzig von den biblischen Viehzüchtergeschichten gesprochen hat.

Zu den Hirten, die des Nachts ihre Herde bewachen, um sie, wenn nötig, allein mit ihrem Hirtenstab gegen wilde Tiere zu verteidigen,

tritt Gottes Engel.

Er kommt nicht auf Flügeln

aus dem Himmel herabgeschwebt.

Aus unsichtbarer Nähe tritt er auf Augenhöhe

zu den Hirten ins Licht.

Licht von Gottes Herrlichkeit, von seinem Glanz,

von allem, was Gott Gewicht verleiht,

umleuchtet ihn und jetzt auch die Hirten.

Und die Hirten fürchten sich,

sie fürchten sich sehr.

Es geht den Hirten nicht anders

als den Frauen am Ostermorgen.

Ohne dieses Erschrecken keine Osterfreude,

ohne dieses Erschrecken kein Weihnachtsjubel.

Was durch Gottes Engel in unsere friedlose, gewalttätige Welt hereinbricht und in ihr Wohnraum sucht,

dass ist in ihr nicht vorgesehen,

darauf zu hoffen, haben wir uns abgewöhnt,

und, das spüren wir

nicht anders als die Hirten sehr deutlich,

was da von Gott her zu uns hereinbricht,

das wird auch uns nicht unverändert lassen,

die wir uns mit dem, wie es auf unserer Welt

und zwischen uns zugeht,

arrangiert und mehr recht als schlecht angefreundet haben.

Wir können und werden im Licht der Weihnachtsbotschaft nicht die bleiben,

die wir sind.

Das weiß Gottes Engel, darauf ist er gefasst.

Dazu hat Gott ihn gesandt, das ist sein Auftrag,

dieser Furcht entgegenzutreten.

Fürchtet euch nicht, siehe,

ich verkündige euch große Freude,

die dem ganzen Volk widerfahren wird,

denn euch ist heute der Retter geboren,

der Messias, der Gesalbte,

Herr in der Stadt Davids, in Jerusalem.

Von einer Freude erzählt der Engel,

von der wir noch allzu wenig Erfahrung haben,

einer Freude, die für das ganze Volk da sein wird, für alle Menschen in Israel,

für Euch Hirten, die ihr um Euren Lebensunterhalt kämpfen müsst,

für die Reichen in eurem Land,

auch für die, die auf euch herabsehen,

für die aufrichtigen Frommen,

aber auch die,

die sich für etwas Besseres halten.

Von der Freude erzählt der Engel für die erklärten Atheisten und Atheistinnen,

von Freude für die, die an ihrem Glauben verzweifeln,

Freude für die jüdischen und die arabischen Menschen in Israel,

Freude für alle Menschen in unserem Land,

für die Alten und die Jungen,

die Armen und die Kranken,

für die Menschen, die um ihre Behinderungen wissen und für die, die sie nicht wahrhaben wollen,

für die, die auf Hartz-IV angewiesen sind,

und für die, die schon vom nächsten Ski-Urlaub träumen,

für die Trauernden und die Verliebten,

für die Einheimischen und die Geflüchteten,

für die Einsamen und die Kontaktfreudigen,

die sich leicht damit tun, auf andere zuzugehen,

für die Selbstgewissen und die Verunsicherten,

und für alle, die wissen,

wie dünn und durchlässig die Grenze zwischen diesen verschiedenen Seiten ist.

Plötzlich ist da nicht nur der eine Bote Gottes,

sondern die ganze Menge der himmlischen Heerscharen,

alle die Boten Gottes, deren Hilfe Jesus trotz seiner Todesangst in Gethsemane nicht in Anspruch nehmen will, weil er weiß,

wenn ich jetzt meinem Weg nicht treu bleibe,

wenn ich mich jetzt mit Gewalt heraushauen lassen, dann ist alles verloren,

dann war alles umsonst.

Die Menge der himmlischen Heerscharen macht Gott groß und herrlich,

sie gibt Gott Gewicht,

sie erzählt von seiner Ehre,

sie bringt Gottes Glanz zum Leuchten:

Herrlichkeit bei Gott in der Höhe

Und auf der Erde Frieden

bei den Menschen des Wohlgefallens.

Der Himmel und die Erde keine zwei gegeneinander verschlossenen Räume.

Sein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Hier auf der Erde will Gott Gewicht bekommen,

auf seiner Erde soll Gottes Licht aufstrahlen,

zwischen uns will Gott Frieden schaffen,

Ihr Menschen, Ihr gefallt Gott wohl.

Wie verkraftet Gott das, wie wird er damit fertig,

wieder und wieder, einen Tag um den anderen,

bei uns auf taube Ohren zu stoßen,

bei denen, die viel Macht und Einfluss besitzen,

bei denen, die sich ohnmächtig und ausgeschlossen fühlen,

bei denen, die verbittert sind,

bei denen, deren seelische und körperliche Wunden einfach nicht verheilen wollen,

sondern ganz unerwartet von Neuem aufbrechen?

Auf taube Ohren bei Ihnen und Euch

und bei mir?

Ich weiß es nicht, ich kann das nicht beantworten,

ich kann nur hoffen, dass es so ist,

dass es so bleibt.

Liegt der Schlüssel zum Unfrieden auf Erden in unserer Unfähigkeit, es Gott zu glauben,

dass wir ihm schon immer,

heute und erst recht und ganz bestimmt an jedem neuen Tag wohl gefallen?

Eigentlich müsste es doch ein Grund purer Freude sein, aus dem Munde von Gottes Engeln

zu hören, dass ich Gott wohl gefalle.
Aber so einfach ist das nicht.

Da ist bestimmt nicht jeder Tag wie der andere.

Aber es gibt Tage, da fällt mir das schwer,

Gott das zu glauben.

Wenn ich mit mir selbst hadere und unzufrieden bin: weil ich mich ärgere, weil ich schon wieder den Fehler gemacht habe, von dem ich mir so fest vorgenommen hatte, ihn in Zukunft nicht mehr zu machen.

Weil ich mich ohrfeigen könnte für meine Gedankenlosigkeit, für das, was mir da gerade raus gerutscht ist,

wenn ich Menschen vermisse, die bereit sind, mit mir gemeinsam zu kämpfen und ich mich frage, was ich selbst dazu beitrage, dass das so ist.

Noch schwerer fällt mir das, den Engeln zu glauben, wenn andere mit mir hadern, mir Dinge nicht verzeihen können,

die ich nicht mehr ungeschehen machen kann,

und ich überlege, ob das Gott nicht möglicherweise auch so geht.

Kannst Du Dich, kann ich mich darüber freuen,

dass Gott die anderen Menschen wohl gefallen,

gerade die, die mir so völlig gegen den Strich gehen, die ich als Kriegstreiber und Ausbeuter beschimpfe,

die, die mir rechthaberisch und arrogant vorkommen, die anscheinend nie selber irgendwas falsch machen.

Nicht dass Gott ihr Tun gutheißt, so wenig er das bei mir tut, bei den Dingen, die ich zu verantworten habe,

aber warum sollte ich mich nicht darüber freuen,

dass Gott auch noch anderes in ihnen sieht,

als ich in ihnen sehe,

dass er meinen Einschätzungen vielleicht schlicht widersprechen wird, wegen Dingen, die er sieht und erkennt und die mir verborgen bleiben

und vor allem: warum kann ich mich nicht einfach darüber freuen, dass Gott in der Lage ist, zu lieben, wo ich dazu nicht in der Lage bin,

mich nicht einfach darüber freuen, dass sein Lieben, sein Wohlgefallen nicht abhängig ist, von dem, was sie verdient haben,

in seinen, in meinen, in ihren eigenen Augen?

Friede auf Erden bei den Menschen des Wohlgefallens, dass aufs Neue zu hören, das neu zu hören, mir von Gott sagen lassen,

dass hier der Quell aller Weihnachtsfreude liegt,

dazu bin ich in diesen Gottesdienst gekommen.

Das Zeichen, dass die Engel die Wahrheit sagen,

ist das Wunder, dass das Kind geboren ist, nicht irgendein, sondern dieses jüdische Kind,

das von Maria und Joseph, Gottes Kind,

dass Kind, dass in Windeln gewickelt in einem

Futtertrog liegt,

dass Kind, dem Gott unter uns Raum verschafft,

dort, wo kein Raum für es vorhanden scheint.

Die Hirten von Bethlehem haben es eilig.

Sie wollen das Kind endlich sehen.

Und als sie es gesehen haben,

können sie es nicht abwarten,

allen von diesem Kind zu erzählen

und von dem, was die Engel über dieses Kind gesagt haben.

Maria gehen die Worte, die die Hirten ihnen über ihr Kind gesagt haben, nicht aus dem Sinn,

sie bewahrt sie in ihrem Herzen, sie hält sie fest,

all die unterschiedlichen Gedanken und Gefühle, die diese Worte in ihr ausgelöst haben.

Ihr Kind wird wachsen. Es wird Raum schaffen für das, was noch keinen Ort auf dieser Welt hat.

Es ist gesandt, unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten, uns zu retten aus unserer heillosen Friedlosigkeit.

Gesegnet seist Du, unser Gott, für Deine Treue und Deine unbegreifliche Geduld!

Lass gelingen, wozu Du Dein geliebtes Kind in unsere Welt gesandt hast!

Amen

1 Und es geschah in jenen Tagen, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging. dass sich der ganze Erdkreis schätzen ließe.

2 Diese Schätzung war die erste und sie geschah,                                                                         als Cyrenius über Syrien befahl.

3 Und es gingen alle, sich schätzen zu lassen,                                                                                   ein jeder in seine eigene Stadt.

4 Es ging aber hinauf auch Joseph von Galiläa                                                                             aus der Stadt Nazareth   ins jüdische Land                                                                                       in die Stadt Davids, welche Bethlehem gerufen wird,                                                                weil er aus dem Hause und dem Geschlecht Davids war,

5 um sich schätzen zu lassen mit Maria, die ihm anvertraut war,                                             die war schwanger.

6 Es geschah aber, als sie dort waren,                                                                                           dass die Tage ihres Gebärens voll wurden.

7 Und sie gebar ihren Sohn, ihren Erstgeborenen,                                                                      und wickelte ihn und legte ihn in eine Krippe,                                                                           weil sonst kein Raum in der Unterkunft war.

8 Und es waren Hirten in derselben Gegen, die im Freien lebten,                                           die hielten Nachtwache über ihre Herde.

9 Und ein Engel des Herrn trat zu ihnen                                                                                       und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie,                                                                         und sie fürchteten sich sehr.

10 Und der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht,                                                          siehe, ich verkündige euch eine große Freude,                                                                        welche für das ganze Volk sein wird,

11 denn euch ist heute der Retter geboren,                                                                                  welcher Messias ist, Herr in der Stadt Davids.

12 Und dies ist euch das Zeichen:                                                                                                     ihr werdet das neugeborene Kind finden,                                                                                         in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.

13 Und plötzlich war da bei dem Engel                                                                                           die Menge der himmlischen Herrscharen,                                                                                     die lobten Gott und sprachen:

14 Herrlichkeit Gott in der Höhe und auf der Erde Frieden,                                                      bei den Menschen des Wohlgefallens.

15 Und es geschah, als die Engeln von ihnen weg                                                                           in den Himmel gingen, dass die Hirten zueinander sagten:                                                    lasst uns sogleich nach Bethlehem gehen                                                                                      und die Rede sehen, die geschehen ist,                                                                                           die uns der Herr bekanntgemacht hat.

16 Und sie gingen eilend und fanden Maria und Josef                                                               und das neugeborene Kind, das in der Krippe lag.

17 Und als sie es gesehen hatten, machten sie die Rede bekannt,                                             die ihnen über dieses Kind gesagt war,

18 und alle, die es hörten, staunten über das,                                                                               was zu ihnen durch die Hirten gesagt worden war.

19 Maria aber behielt alle diese Worte und ließ sie in ihrem Herz zusammentreffen.

20 Die Hirten aber kehrten zurück, sie verherrlichten und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten,  wie zu ihnen gesagt war.

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